Rz. 69

Soweit die Baubeschreibung unvollständig oder unklar ist,[138] ist der Vertrag gemäß § 650k Abs. 2 S. 1 BGB unter Berücksichtigung sämtlicher vertragsbegleitender Umstände – insbesondere des Komfort- und Qualitätsstandards nach der übrigen Leistungsbe­schreibung – auszulegen (ergänzende Vertragsauslegung).[139]

 

Rz. 70

Der Gesetzgeber verfolgt mit dieser Regelung das Ziel, den Vertrag bei Mängeln der Baubeschreibung möglichst aufrechtzuerhalten: "Unklarheiten sollen so bereinigt und Lücken so gefüllt werden, wie es dem Leistungsniveau der Baubeschreibung im Übrigen entspricht".[140] Der Verbraucher muss sich also nicht mit einer geringeren Qualität begnügen. Er muss auch nicht zu einer Kündigung schreiten, nur weil der Unternehmer dem übrigen Niveau des Bauprojekts entsprechende Leistungen verweigert.[141] Maßgeblich soll dabei die verbraucherfreundlichste Auslegung sein.[142]

 

Rz. 71

"Sonstige vertragsbegleitende Umstände", die bei der Auslegung der Baubeschreibung zu berücksichtigen sind, sind bspw.[143] auch

erläuternde oder konkretisierende Erklärungen der Vertragsparteien (einschließlich Exposés oder Angaben in Prospekten bzw. Erklärungen von Firmenvertretern),[144]
die konkreten Verhältnisse des Bauwerks und seines Umfeldes,
der qualitative (Gesamt-)Zuschnitt,
der architektonische Anspruch bzw.
die Zweckbestimmung des Bauwerks.
 

Rz. 72

Die Regelung des § 650k Abs. 2 S. 1 BGB macht deutlich, dass zur Ausfüllung etwaiger Vertragslücken oder Unklarheiten – vor allem wenn es um die Qualitäts- bzw. Komfortstandards der Leistung geht – sich "das geschuldete Maß in erster Linie nach dem durch die vorhandene Baubeschreibung vorgegebenen allgemeinen Leistungsniveau richtet, sodass die bloße Einhaltung der allgemeinen technischen Regeln oder der Verkehrssitte bzw. des allgemein üblichen Standards nicht ohne weiteres genügt".[145]

 

Rz. 73

 

Beachte:

Unverständliche AGB-Baubeschreibungen (bzw. Einmalbedingungen, vgl. § 310 Abs. 2 Nr. 2 BGB) sind hingegen nach Maßgabe der Grundsätze der ergänzenden Vertragsauslegung nach § 157 BGB und der dazu ergangenen Judikatur auszulegen.[146]

[138] Auch nach Anwendung der gängigen Auslegungsmethoden: Stretz, Das neue Bauvertragsrecht, § 5 Rn 113 – mithin im Falle von AGB (auch bei Einmalbedingungen i.S.v. § 310 Abs. 3 Nr. 2 BGB) nach dem Grundsatz der objektiven Auslegung (so Stretz, a.a.O., § 5 Rn 115) – zur objektiven Auslegung näher Ring, AGB-Recht in der anwaltlichen Praxis, 4. Aufl. 2017, § 4 Rn 163) und im Falle einer individualvertraglich ausgestalteten Baubeschreibung nach den Grundsätzen der §§ 133, 157 BGB (Stretz, a.a.O., § 5 Rn 116: objektiver Empfängerhorizont aus dem Blickwinkel eines verständigen und durchschnittlichen Empfängers).
[139] Näher jurisPK-BGB/Segger, § 650k Rn 22 ff.
[140] RegE, BT-Drucks 18/8486, S. 63.
[141] RegE, BT-Drucks 18/8486, S. 63.
[142] Glöckner, VuR 2016, 163, 165: "Mit dieser Kodifizierung einer in der Rechtsprechung bisher nur selten so klar ausgesprochenen Auslegungsdirektive handelt es sich dabei wohl um den deutlichsten und wichtigsten Beitrag zur Verbesserung des Verbraucherschutzes bei Bauverträgen". Glöckner (a.a.O.) rekurriert auf BGH BauR 2007, 1570 Rn 25 (zur Auslegung eines Vertrages über den geschuldeten Schallschutz); BGH BauR 2014, 547 (zur Auslegung eines Vertrags über eine geschuldete Herstellung eines Gefälles); und OLG Brandenburg (BauR 2014, 1005), wonach die bloße Einhaltung der Regeln der Technik (beim Schrittmaß einer Treppe) nicht reicht, wenn sich aus den Gesamtumständen des Vertrags eine über das durch die Einhaltung der Regeln der Technik abgesicherte Mindestmaß der Leistungen hinausgehende Qualität ableiten lässt.
[143] Beispiele nach RegE, BT-Drucks 18/8486, S. 63 unter Bezugnahme auf die BGH-Judikatur zum vormals geltenden Recht – z.B. BGHZ 172, 346 = NJW 2007, 2983 – Leitsatz 1: "Welcher Schallschutz für die Errichtung von Doppelhäusern geschuldet ist, ist durch Auslegung des Vertrags zu ermitteln. Wird ein üblicher Qualitäts- und Komfortstandard geschuldet, muss sich das einzuhaltende Schalldämm-Maß an dieser Vereinbarung orientieren …". Vgl. auch BGH NJW 2014, 620 – Leitsatz: "Ob eine Hof- und Zugangsfläche einer Wohnanlage ein Gefälle zum leichteren Abfluss von Oberflächenwasser haben muss, kann nicht allein danach beurteilt werden, dass es in der Baubeschreibung nicht vorgesehen und auch nicht zwingend erforderlich ist. Es kommt vielmehr darauf an, ob der Besteller ein solches Gefälle nach den dem Vertrag zugrunde liegenden Umständen, insbesondere dem vereinbarten Qualitäts- und Komfortstandard, erwarten kann". Viele Details der Ausführung seien im Vertrag nicht erwähnt oder genauer beschrieben. Daraus, dass ein bestimmtes Ausführungsdetail nicht erwähnt ist, könne aber nicht ohne Weiteres geschlossen werden, dass es nicht geschuldet ist. Vielmehr müsse unter Berücksichtigung der gesamten Umstände des Vertrags geprüft werden, ob eine bestimmte Qualität der Ausführung stillschweigend vereinbart ist. En...

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