Rz. 326

Sind neben Eltern deren minderjährige Kinder an der Erbengemeinschaft beteiligt, so sind die Eltern im Hinblick auf §§ 1629, 1795, 181 BGB bei Vertragsabschluss von der Vertretung ihrer Kinder ausgeschlossen. Jedes Kind bedarf eines Ergänzungspflegers nach § 1909 BGB. Ausnahmsweise kann ein Pfleger mehrere Kinder vertreten, wenn die gesetzlichen Auseinandersetzungsregeln der §§ 2042 ff. BGB ohne jede vertragliche Abweichung eingehalten werden. In diesem Falle handelt es sich lediglich um die Erfüllung einer nach Gesetz begründeten Verbindlichkeit, bei der § 181 BGB nicht gilt.

 

Rz. 327

Unvereinbarkeit von Testamentsvollstreckung und gesetzlicher Vertretung (§§ 1629 Abs. 2 S. 3, 1796, 1909, 2197 BGB)?

Das OLG Nürnberg hat dazu entschieden:[339]

Die Doppelstellung als (Mit-)Testamentsvollstrecker einerseits und als gesetzlicher Vertreter des Erben andererseits führt zu einem Interessengegensatz, der so erheblich ist, dass er die Wahrnehmung beider Ämter durch dieselbe Person ausschließt.

Problem: Nicht selten wird es vorkommen, dass der vom Erblasser für den Erben oder Vermächtnisnehmer vorgesehene Testamentsvollstrecker mit dem gesetzlichen Vertreter des Erben bzw. Vermächtnisnehmers identisch ist. Dies ist z. B der Fall, wenn der vorgesehene Testamentsvollstrecker Elternteil oder Vormund des minderjährigen bzw. zivilrechtlicher Betreuer des volljährigen Erben i.S.d. §§ 1896 ff. BGB ist.

Im vorliegenden Fall wurde die minderjährige T alleinige Erbin ihres Vaters. Die allein sorgeberechtigte Mutter M wurde aufgrund einer Anordnung im Testament des Erblassers zusammen mit O zur Mittestamentsvollstreckerin über den Nachlass des Verstorbenen ernannt. Daraufhin hatte das Familiengericht für das Kind T Ergänzungspflegschaft gem. § 1909 Abs. 1 BGB mit dem Wirkungskreis der Vertretung bei den Auskunfts- und Rechnungslegungsrechten des Erben gegenüber dem Testamentsvollstrecker angeordnet. Die hiergegen gerichtete Beschwerde des Kindes wurde zurückgewiesen.

Entscheidung:

Zunächst schließt sich das OLG Nürnberg der wohl bislang schon h.A. in Rechtsprechung und Literatur an, wonach die Doppelstellung als Testamentsvollstrecker und als gesetzlicher Vertreter des Erben zu einem Interessengegensatz im Sinne von § 1796 BGB führt, der so erheblich ist, dass er die Wahrnehmung der Aufgaben der beiden Ämter durch ein und dieselbe Person ausschließt (BayObLG Rpfleger 1977, 440; OLG Hamm MittBayNot 1994, 53 m. krit. Anm. Reimann; LG Frankfurt/M. Rpfleger 1990, 207 m. Anm. Meyer-Stolte; Palandt/Edenhofer, BGB, Einf. vor § 2197 Rn 6; einschränkend aber Damrau, ZEV 1994, 1 ff.). Es hält damit die Einrichtung einer Dauerergänzungspflegschaft (bzw. bei Volljährigen der Dauerergänzungsbetreuung) für erforderlich, die nicht als Fall einer unzulässigen "Beobachtungspflegschaft" angesehen werden könne (so auch OLG Hamm; LG Frankfurt/M., a.a.O.).

Nach Auffassung des OLG ändert sich an dieser rechtlichen Beurteilung nichts dadurch, dass die gesetzliche Vertreterin im vorliegenden Fall nur Mitvollstreckerin war und somit nur zusammen mit dem anderen Testamentsvollstrecker handeln konnte. Das OLG begründet seine Ansicht damit, dass jeder der Testamentsvollstrecker zur Auskunftserteilung und Rechnungslegung gegenüber dem Erben verpflichtet sei und hierauf auch verklagt werden könne (vgl. Haegele/Winkler, Der Testamentsvollstrecker, Rn 463; Palandt/Edenhofer, § 2224 Rn 1).

In dieser dezidierten Weise dürfte dies seit der Entscheidung des BGH vom 5.3.2008[340] nicht mehr gelten:

1. Ist der Vater eines minderjährigen Erben zum (Verwaltungs-)Testamentsvollstrecker bestellt worden, so kommt die Anordnung einer Ergänzungspflegschaft zur Wahrnehmung der Rechte des Erben aus den in den Nachlass fallenden Gesellschaftsanteilen auch dann nicht in Betracht, wenn der Vater Mitgesellschafter und die Mutter von der Vertretung des Kindes für das ererbte Vermögen ausgeschlossen ist; denn die mit einer solchen Pflegschaft einhergehende Beschränkung der gesetzlichen Vertretungsmacht des Vaters ändert an dessen Verwaltungsbefugnissen als Testamentsvollstrecker nichts.
2. Ob in einem solchen Fall eine Ergänzungspflegschaft zur Wahrnehmung der Rechte des Minderjährigen gegenüber dem Vater als Testamentsvollstrecker angeordnet werden muss, ist – im Rahmen der tatrichterlichen Verantwortung – im Einzelfall zu entscheiden. Ein "typischer" Interessengegensatz wird zwar im Regelfall die Annahme rechtfertigen, dass es auch im zu entscheidenden Einzelfall zu Konfliktsituationen kommen kann, denen durch die Bestellung eines Pflegers rechtzeitig vorgebeugt werden sollte. Anderes kann sich jedoch dann ergeben, wenn aufgrund der bisherigen Erfahrungen und des engen persönlichen Verhältnisses zwischen Vater und Kind keinerlei Anlass zu der Annahme besteht, der Vater werde unbeschadet seiner eigenen Interessen die Belange des Kindes nicht in gebotenem Maße wahren und fördern.
[339] OLG Nürnberg DNotI-Report 2001 Nr. 24 = NJWE-FER 2001, 316 = FamRZ 2002, 272 = ZEV 2002, 158.
[340] ...

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