Rz. 442
Bevor der Nachlass geteilt wird, sind die Nachlassverbindlichkeiten zu tilgen.[439] Dies hat Bedeutung vor dem Hintergrund, dass nach der Erbteilung eine Nachlassverwaltung als Haftungsbeschränkungsmaßnahme gem. § 2062 Hs. 2 BGB nicht mehr angeordnet werden kann und jeder Miterbe somit nach § 2058 BGB gesamtschuldnerisch auch mit seinem Eigenvermögen (also unbeschränkt) haftet. Würde eine Erbteilungsklage vor der Erfüllung der Nachlassverbindlichkeiten erhoben, so wäre der Nachlass nicht teilungsreif und die Klage bei fehlendem Klagevortrag dazu nicht schlüssig.[440]
Lebte der Erblasser in Zugewinngemeinschaft, so kann im Zusammenhang mit der Vorwegerfüllung der Zugewinnausgleichsforderung als einer zu begleichenden Nachlassverbindlichkeit (§ 2046 BGB) der überlebende Ehegatte die Übertragung von Nachlassgegenständen nach § 1383 BGB, § 264 FamFG durch Entscheidung des Familiengerichts verlangen. Gleiches gilt für die Ausgleichsforderung eines Lebenspartners bei bestanden habender Ausgleichsgemeinschaft in der eingetragenen Lebenspartnerschaft, § 6 LPartG.[441] Dies wirkt sich für den längerlebenden Ehegatten bzw. den eingetragenen Lebenspartner günstig sowohl in pflichtteils- als auch in erbschaftsteuerrechtlicher Hinsicht aus. Zu einzelnen Nachlassverbindlichkeiten siehe § 9 in diesem Buch (vgl. § 9 Rdn 89 ff.).
Hat der Erblasser als Mitglied einer Personengesellschaft seinen künftigen Auseinandersetzungsanspruch abgetreten, so bindet diese Abtretung seine Erben.[442]
Rz. 443
Auch Pflichtteilsansprüche stellen Nachlassverbindlichkeiten dar. In diesem Zusammenhang hat der BGH[443] in einer interessanten Entscheidung, die für die Praxis erhebliche Tragweite haben dürfte, entschieden, dass es im Rahmen der sechsmonatigen Ablaufhemmung nach § 211 BGB auf den Zeitpunkt der Annahme des einzelnen Miterben und nicht auf den Annahmezeitpunkt des letzten annehmenden Miterben ankommt. Würde man der in weiten Teilen der Literatur vertretenen Gegenauffassung[444] folgen, würde dies zu einer erheblichen Ausdehnung des Hemmungszeitraums und damit zu unbilligen Ergebnissen für den früher annehmenden Miterben führen. Der Pflichtteilsberechtigte sei außerdem über die Möglichkeit der Erhebung einer Gesamtschuldklage (§ 2058 BGB) ausreichend geschützt.
Rz. 444
Die Kosten der Nachlasspflegschaft stellen sog. Erbfallschulden (§ 1967 Abs. 2 Alt. 2 BGB) dar, für die die Miterben im Außenverhältnis gemeinsam haften. Wurde die Nachlasspflegschaft lediglich über einen Teil unbekannter Erben angeordnet, so ist der Nachlasspfleger berechtigt, seine Vergütungsforderung gegen den gesamten ungeteilten Nachlass zu richten. Die Zuordnung der Nachlassverbindlichkeit zu einzelnen Erben (§ 2046 Abs. 2 BGB) hat ausschließlich im Innenverhältnis bei der Auseinandersetzung zu erfolgen.[445]
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