Rz. 279
Nach dem Prinzip gesamthänderischer Bindung könnten Forderungen, die zum Nachlass gehören, grundsätzlich nur von allen Erben gemeinsam geltend gemacht und eingezogen werden.
Dies wäre für die Praxis jedoch viel zu schwerfällig. Deshalb macht § 2039 S. 1 BGB eine Ausnahme von diesem Grundsatz: Jeder Miterbe hat die Befugnis, eine Nachlassforderung allein geltend zu machen, muss aber Leistung an alle Miterben gemeinschaftlich verlangen. Der einzelne Miterbe kann auch gegen den Widerspruch der übrigen Miterben seine Rechte geltend machen, weil es sich um ein Sonderrecht des einzelnen Miterben handelt[277] und weil im Hinblick auf die gesamtschuldnerische Haftung jedes Erben nach § 2058 BGB nicht einzelne Erben verhindern können, dass Forderungen, die sich im Nachlass befinden, nicht auch sowohl für die Nachlassgläubiger als auch für alle Miterben realisiert werden.
Aber die Vorschrift gilt nur für Ansprüche i.S.v. § 194 BGB. Soll ein Verwahrer nach § 2039 S. 2 BGB bestellt werden, so richtet sich das Verfahren nach § 410 Nr. 3 FamFG.[278]
a) Unter § 2039 BGB fallende Ansprüche
Rz. 280
Darunter fallen:
▪ | Freistellungsanspruch,[279] | ||||
▪ | Unterlassungsanspruch,[280] | ||||
▪ | öffentlich-rechtliche Versorgungsansprüche,[281] | ||||
▪ | Anspruch auf Sterbegeld,[282] | ||||
▪ | Schadensersatzansprüche gegen beurkundenden Notar,[283] | ||||
▪ | Ansprüche auf Rechnungslegung,[284] | ||||
▪ | Besitzschutzansprüche[285]
|
||||
▪ | auch der Anspruch der Erbengemeinschaft auf Grundbuchberichtigung (§ 894 BGB) fällt unter § 2039 BGB, so dass ihn ein Erbe allein für alle geltend machen kann.[288] Den dazu erforderlichen Antrag nach § 13 GBO kann ohnehin jeder Miterbe allein stellen. | ||||
▪ | Auskunftsanspruch gegen Erbschaftsbesitzer nach § 2027 BGB, | ||||
▪ | Auskunftsanspruch gegen Hausgenossen nach § 2028 BGB, | ||||
▪ | Auskunftsanspruch gegen Geschäftsführer nach §§ 681, 666 BGB, | ||||
▪ | Herausgabeanspruch gegen Geschäftsführer nach § 667 BGB. |
Ist eine Darlehensforderung im Nachlass, die zur Fälligkeit der Kündigung bedarf, so fällt die Ausübung des Kündigungsrechts nicht unter § 2039 BGB, vielmehr ist sie nach der Rechtsprechung eine Verfügung, die dem Einstimmigkeitserfordernis des § 2040 BGB unterliegt.[289]
Rz. 281
Dies könnte sich jedoch nach der BGH-Rechtsprechung zur Kündigung eines Mietverhältnisses anders darstellen. Danach ist die Kündigung eines Mietverhältnisses zwar eine Verfügung über dieses Rechtsverhältnis, die Erben könnten aber ein Mietverhältnis über eine zum Nachlass gehörende Sache wirksam mit Stimmenmehrheit kündigen, wenn sich die Kündigung als Maßnahme ordnungsgemäßer Verwaltung des Nachlasses darstellt.[290]
Bei der Vererblichkeit des Abfindungsanspruchs aus einem beendeten Arbeitsverhältnis ist ohne ausdrückliche Regelung in der Beendigungsvereinbarung im Einzelfall regelmäßig streitig, ob der Abfindungsanspruch auf die Erben übergeht, wenn der Arbeitnehmer vor Beendigung des Arbeitsverhältnisses stirbt.[291]
Rz. 282
Bei der Geltendmachung eines zum Nachlass gehörenden Kostenfestsetzungsbeschlusses im eigenen Namen für die Erbengemeinschaft steht ein Widerspruch eines anderen Miterben nicht entgegen.[292]
b) Besonderheit: Bereicherungsanspruch nach § 2287 BGB
Rz. 283
Nicht hierher gehört der Bereicherungsanspruch der mehreren Erbvertragserben aus § 2287 BGB gegen den vom Erblasser Beschenkten und damit auch nicht der daraus entwickelte Auskunftsanspruch. Dieser Anspruch fällt nicht in den Nachlass, sondern steht jedem Vertragserben anteilig entsprechend seiner Erbquote zu.
Rz. 284
Mehrere Miterben sind Teilgläubiger:
Die Bejahung eines Anspruchs nach § 2287 BGB für einen von mehreren Miterben kann nicht zur Verurteilung zur Herausgabe des ganzen Gegenstandes an einen einzelnen Miterben führen. Andererseits sagt das Gesetz nichts dazu aus, wenn mehrere Vertrags- oder Schlusserben Anspruchsinhaber sind. In § 2287 BGB heißt es lediglich, "der Vertragserbe" könne Herausgabe verlangen. Deshalb sind die allgemeinen Vorschriften über eine Gläubigermehrheit anzuwenden. Eine Gläubigergemeinschaft kommt – mangels Sonderregelung – allenfalls in der Form der Bruchteilsgemeinschaft in Betracht. Soweit die Herausgabeforderung auf einen teilbaren Gegenstand geht, bspw. bei Geld oder gleichen Wertpapieren, kann der auf den einzelnen Miterben entfallende Teil von diesem verlangt werden. So...
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