Rz. 80

Schriftformklauseln[424] beinhalten, dass mündliche Abreden unwirksam sein oder nur dann Geltung beanspruchen sollen, wenn sie vom Verwender schriftlich bestätigt werden, bspw.:[425]

"Mündliche Absprachen sind ohne schriftliche Bestätigung ungültig" oder
"Vereinbarungen, Zusicherungen, Änderungen sind nur in schriftlicher Form ­gültig".

Sie ändern aber am Vorliegen einer (auch mündlichen) nachträglich getroffenen Indi­vidualabrede nichts,[426] da sie zugleich die Schriftformklausel stillschweigend abbe­dingen.[427]

Eine Schriftformklausel begründet auch nicht in jedem Falle einen Verstoß gegen § 307 BGB. Vielmehr ist auf den Inhalt und den Geltungsbereich der konkret in Rede stehenden Klausel abzustellen.[428] Allerdings sollen Schriftformklauseln, soweit sie für Nebenabreden und Vertragsänderungen konstitutiv Einhaltung der Schriftform fordern, gegen § 305 lit. b BGB verstoßen.[429]

 

Rz. 81

Eine Schriftformklausel, die nicht nur für Vertragsänderungen Schriftform vorschreibt, sondern auch Änderungen der Schriftformklausel ihrerseits der Schriftform unterstellt (sog. doppelte Schriftformklausel), erweckt – so das OLG Rostock[430] – den Eindruck, als könnte sie nicht durch eine die Schriftform nicht wahrende Vereinbarung abbedungen werden. Sie käme dann einer konstitutiven Schriftformklausel gleich, weil bei einer solchen Klausel Änderungen und Ergänzungen des Vertrags ohne Beachtung der Schriftform unwirksam wären. Dies widerspreche dem in § 305 lit. b BGB niedergelegten Grundsatz des Vorrangs der Individualvereinbarung. Unwirksam sei deshalb eine Schriftformklausel, wenn sie dazu dient, nach Vertragsschluss getroffene Individualvereinbarungen zu unterlaufen, indem sie beim anderen Vertragsteil den Eindruck erweckt, eine mündliche Abrede sei entgegen § 305 lit. b BGB unwirksam.[431] Solche Klauseln seien geeignet, den Vertragspartner von der Durchsetzung der ihm zustehenden Rechte abzuhalten.[432] Die Bedeutung der Schriftformklausel liege in einer stets unzutreffenden Belehrung über die Rechtslage. Diese Irreführung des Vertragspartners benachteilige ihn unangemessen i.S.v. § 307 Abs. 1 BGB, weil sie intransparent sei. Der Klauselgegner werde davon abgehalten, sich auf die Rechte zu berufen, die ihm aufgrund einer wirksamen mündlichen Vereinbarung zustehen.[433] Das gelte auch für sog. doppelte Schriftformklauseln: Eine vom Arbeitgeber im Arbeitsvertrag als Allgemeine Geschäftsbedingung aufgestellte doppelte Schriftformklausel kann – so das BAG[434] – beim Arbeitnehmer den Eindruck erwecken, jede spätere vom Vertrag abweichende mündliche Abrede sei gemäß § 125 S. 2 BGB nichtig. Das entspreche aber nicht der wahren Rechtslage. Denn gemäß § 305 lit. b BGB haben individuelle Vertragsabreden Vorrang vor Allgemeinen Geschäftsbedingungen. Dieses Prinzip des Vorrangs – mündlicher – individueller Vertragsabreden setze sich auch gegenüber doppelten Schriftformklauseln durch. Eine zu weit gefasste doppelte Schriftformklausel sei irreführend und benachteilige deshalb den Vertragspartner unangemessen i.S.v. § 307 Abs. 1 BGB.

Der Vorrang von Individualabreden gemäß § 305 lit. b BGB umfasst nach Ansicht des BAG[435] zwar nicht betriebliche Übungen. Eine zu weit gefasste Schriftformklausel werde aber nicht auf das richtige Maß zurückgeführt, sondern muss insgesamt als unwirksam angesehen werden: Eine Teilunwirksamkeit komme nicht in Betracht,[436] vielmehr gelte nach ganz h.A.[437] für den Bereich Allgemeiner Geschäftsbedingungen das aus § 306 Abs. 2 abgeleitete Verbot der geltungserhaltenden Reduktion (siehe § 4 Rdn 166). Dieses Verbot gelte auch im Bereich des Arbeitsrechts.[438] Ansonsten könnte der Verwender gefahrlos beliebige Klauseln vereinbaren. Der Vertragspartner würde über die Reichweite der Klausel getäuscht. Das Transparenzgebot des § 307 Abs. 1 S. 2 BGB liefe leer.[439] Damit ist nach Ansicht des BAG eine entsprechende Schriftformklausel im Arbeitsvertrag insgesamt unwirksam und steht einem Anspruch aus betrieblicher Übung entgegen.[440]

Das OLG Frankfurt/M.[441] hat hinsichtlich einer unwiderruflich ausgestalteten doppelten Schriftformklausel in zwischen Unternehmern vereinbarten Allgemeinen Geschäftsbedingungen festgestellt, dass diese wirksam ist: Für einen Ausschluss einer mündlichen Änderung der doppelten Schriftformklausel bestehe im Hinblick auf die gesetzliche Regelung des § 550 BGB aufseiten beider Vertragsparteien ein anerkennenswertes Bedürfnis. Die Schriftformklausel stehe nicht in Widerspruch zu einer zugleich vereinbarten Schriftformheilungsklausel, da diese gerade nur in dem Fall einschlägig sei, dass trotz der vereinbarten doppelten Schriftformklausel eine mündlich getroffene Vereinbarung der Parteien wirksam ist.[442]

 

Rz. 82

 

Beachte

Formularmäßige Schriftformklauseln (ebenso wie Bestätigungsklauseln, die die Wirksamkeit mündlicher Abreden von einer schriftlichen Bestätigung abhängig machen)[443] können höherrangige Individualabreden nicht außer Kraft setzen.[444] Dies gilt gleichermaßen...

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