Rz. 113

Wenn das Wissen über den rechten Gebrauch der Vollmacht fehlt, bedarf es der unverzüglichen Aufklärung durch den beauftragten Rechtsanwalt. Insoweit wird das Auskunftsverlangen regelmäßig kurz nach oder zusammen mit dem Widerruf der Vollmacht an den Bevollmächtigten zu richten sein. Insofern gilt das oben Gesagte (siehe § 2 Rdn 1). Nur in Ausnahmefällen wird man das Auskunftsersuchen zurückstellen, z.B. wenn in der Person des Bevollmächtigten keine großen Zweifel[108] bestehen und es im Interesse des Vollmachtgebers bzw. seinen Erben liegt, die laufenden Geschäfte noch abzuwickeln. Auch mag der Auskunftsberechtigte entscheiden, ob er die Beziehung zum Bevollmächtigten durch eine frühzeitige Geltendmachung belasten will oder er zunächst auf die Initiative der Gegenseite wartet. So kann es für die Auskunftsbereitschaft kontraproduktiv sein, wenn der Bevollmächtigte am Abend der Beerdigung ein anwaltliches Auskunftsersuchen seiner Miterben mit zweiwöchiger Fristsetzung und Klageandrohung im Briefkasten findet.

 

Rz. 114

Es ist gleichwohl die Pflicht des Rechtsanwalts, seine Mandanten darauf hinzuweisen, dass ein Zuwarten mit Risiken und dauerhaftem Rechtsverlust verbunden sein kann. Dies sollte auch schriftlich dokumentiert werden, damit spätere Reklamationen ausgeschlossen sind. Manche Mandanten neigen dazu, ihren Rechtsanwalt für ihre zögerliche Haltung verantwortlich zu machen.

 

Hinweis

Da Vollmachten üblicherweise engen Bezugspersonen erteilt werden und die Einschaltung eines Rechtsanwalts in vielen Familien tabuisiert ist, wird es in Einzelfällen sinnvoll sein, den Mandanten zu unterstützen, ohne dabei selbst in Erscheinung zu treten.[109] Ob dies in Form einer eingehenden Beratung vor der Familienkonferenz oder in der Vorformulierung eines Schreibens an den Bevollmächtigten geschieht, ist im Einzelfall zu entscheiden.

 

Rz. 115

Steht fest, dass der Bevollmächtigte keine freiwilligen Auskünfte in dem gewünschten Umfang erteilen wird, sollte ihm der Ernst der Lage durch ein anwaltliches Aufforderungsschreiben klar gemacht werden. Das nachfolgende Formulierungsbeispiel beinhaltet den typischen Fall, dass ein Miterbe mit einer Vorsorgevollmacht bedacht wurde.

 

Rz. 116

Muster 3.1: Aufforderung zur Auskunft- und Rechenschaftslegung

 

Muster 3.1: Aufforderung zur Auskunft- und Rechenschaftslegung

Per Boten

Frau _________________________

Auskunft und Rechenschaft über Verfügungen mit der Vollmacht Ihres Vaters _________________________

Ausweislich beigefügter Vollmacht zeige ich die Vertretung Ihres Bruders Herrn _________________________ an. In Ermangelung eines Testaments sind Sie – gemeinsam mit Ihrem Bruder – Erben nach Ihrem verwitweten Vater, der am _________________________ gestorben ist, geworden.

Der Erblasser hat Ihnen am _________________________ eine notarielle Vorsorgevollmacht über den Tod hinaus erteilt, die bereits von meinem Mandanten am _________________________ widerrufen worden ist.[110]

Namens und im Auftrag meines Mandanten fordere ich Sie auf,

1. Auskunft über das von Ihnen verwaltete Nachlassvermögen[111] durch Vorlage eines Bestandsverzeichnisses zum Stichtag _________________________[112] zu erteilen,
2. Rechenschaft über die von Ihnen während der Dauer der Bevollmächtigung getätigten Geschäfte abzulegen,
3. sämtliche Belege und Unterlagen, die Sie vom Erblasser im Zusammenhang mit Ihrer Bevollmächtigung erhalten haben, zu meinen Händen herauszugeben.[113]

In rechtlicher Hinsicht erlaube ich mir den Hinweis, dass Ihr Bruder, der gem. § 1922 BGB Rechtsnachfolger nach Ihrem Vater geworden ist, Ihnen gegenüber das Recht zur Auskunft und Rechenschaft aus den §§ 666, 259, 260 BGB ableiten kann.

Konkret haben Sie ein nach Aktiva und Passiva unterteiltes Vermögensverzeichnis und davon getrennt eine Aufstellung der von Ihnen vereinnahmten und verausgabten Geldmittel vorzulegen. Außerdem haben Sie sich über die Veräußerung weiterer Vermögensgegenstände zu erklären, wozu konkret der Pkw und die Kunstsammlung Ihres Vaters gehören.

Ihre Angaben müssen nach Maßgabe der einschlägigen Rechtsprechung vollständig, richtig, überprüfbar und übersichtlich sein. Belege sind vorzulegen, bzw. durch Sie nachträglich beizubringen.

Ich habe mir zur Erledigung eine Frist notiert auf den _________________________.

Sollten Sie bis dahin den Anspruch nicht erfüllt haben, werde ich ohne weitere Ankündigung Klage erheben. Dies vor allem vor dem Hintergrund, dass Sie einen entsprechenden Auskunftswunsch meines Mandanten prinzipiell abgelehnt haben.

Auch darf ich darauf hinweisen, dass Sie erforderlichenfalls die Richtigkeit und Vollständigkeit Ihrer Angaben eidesstattlich versichern müssen und die Abgabe einer falschen eidesstattlichen Versicherung strafbar ist.

Rechtsanwalt

 

Rz. 117

Wenngleich das Formulierungsbeispiel alle möglichen Informationsansprüche einschließlich der Androhung der zwangsweisen Durchsetzung enthält, sei vor einer standardisierten Verwendung gewarnt. Je nach Fallgestaltung kann eine geringere Kontrolltiefe und vor...

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