Rz. 165

Auch bei Auslandsentsendungen stellt sich nicht selten die Frage, welche kündigungsschutzrechtlichen Bestimmungen zu beachten sind, wenn ein dem deutschen Recht unterliegendes Arbeitsverhältnis eines ins Ausland entsandten Arbeitnehmers beendet werden soll. Hierbei stellen sich bspw. Fragen wie, ob das Rumpfarbeitsverhältnis bei Beendigung des Auslandsarbeitsverhältnisses jederzeit wieder auflebt, der Sonderkündigungsschutz auch im Ausland greift oder der inländische Betriebsrat einer Kündigung zustimmen muss. Grds. ist zu sagen, dass das Rumpfarbeitsverhältnis in Deutschland und das lokale Anstellungsverhältnis im Ausland getrennt zu beurteilen sind. Bisher existieren keine höchstrichterlichen Entscheidungen zu vertraglichen Koppelungen.

a) Anwendbarkeit des deutschen Kündigungsschutzgesetzes

 

Rz. 166

Soweit das Arbeitsverhältnis deutschem Recht unterliegt (s. Rdn 91 ff.), findet der allgemeine Kündigungsschutz des KSchG Anwendung.[75] Dies soll laut BAG explizit auch dann gelten, wenn der Arbeitnehmer seine Arbeitsleistung aufgrund eines ergänzenden Dienstvertrags mit einem ausländischen, konzernzugehörigen Unternehmen zu erbringen hat, jedoch weiterhin eine Weisungsbefugnis des deutschen Arbeitgebers bestehen bleibt.[76] Daraus resultierend muss die Anwendbarkeit des KSchG erst recht gelten, wenn der Entsendevertrag mit dem deutschen Arbeitgeber geschlossen wurde.

Da bei einer Entsendung, wie bereits erwähnt, meistens die Zurechnung des Arbeitnehmers zum entsendenden Betrieb erhalten bleibt, bleiben die Schutznormen des KSchG selbst bei einer anderen Rechtswahl auch während der Entsendung erhalten.

 

Rz. 167

Neben der örtlichen Anwendbarkeit des KSchG ist insb. die Größe des Betriebs i.R.d. sachlichen Anwendbarkeit ein wichtiger Aspekt. Sofern der entsandte Arbeitnehmer dem inländischen Betrieb zuzurechnen ist, zählt er auch bei der Berechnung der Arbeitnehmerzahl nach § 23 KSchG mit.[77] Sind alle weiteren Voraussetzungen wie z.B. die sechsmonatige Wartefrist des § 1 Abs. 1 KSchG erfüllt, so hat der Arbeitgeber die Vorschriften des KSchG einzuhalten. Eine Ausnahme besteht nach h.M. u.a. bei der Anzeigepflicht von Entlassungen i.S.d. 3. Abschnitts des KSchG, weil diese Verpflichtungen ggü. deutschen Behörden nur auf inländische Betriebe angewendet werden können.[78]

 

Rz. 168

Ob und wie in den Fällen einer betriebsbedingten Kündigung die Sozialauswahl vorzunehmen ist, hängt maßgeblich vom Direktionsrecht des inländischen Arbeitgebers ab. Die Sozialauswahl ist z.B. auf die am gleichen Einsatzort beschäftigten Arbeitnehmer reduziert, wenn das Direktionsrecht des Arbeitgebers eingeschränkt ist, sodass eine Sozialauswahl in manchen Fällen sogar gänzlich entfällt. Hat sich der Arbeitgeber im Rahmen seines Direktionsrechts jedoch die Rückrufmöglichkeit vorbehalten, so muss die Sozialauswahl auch mit allen infrage kommenden Arbeitnehmern des Heimatbetriebs durchgeführt werden.

[75] BAG, AP Nr. 30 zu Internationales Privatrecht.
[77] BAG, AP KSchG 1969 § 23 Nr. 16.
[78] Reiter, NZA 2004, 1246, 1249.

b) Sonderkündigungsschutz

 

Rz. 169

Eine weitere Frage ist, inwieweit dem ins Ausland entsandten Arbeitnehmer im Fall einer Kündigung die deutschen Sonderkündigungsvorschriften zugutekommen. Auch hierbei kommt es im Wesentlichen auf die Zurechnung des Arbeitnehmers zum inländischen Betrieb an. So muss etwa bei der Kündigung eines schwerbehinderten Entsandten u.U. das Integrationsamt vorher gem. § 85 SGB IX seine Zustimmung erteilen. Das Gleiche muss auch im Fall des § 9 MuSchG, § 18 Abs. 1 BEEG gelten, sofern es um die Kündigung einer Schwangeren bzw. Mutter geht und eine Zurechnung zum inländischen Betrieb gegeben ist. In diesem Zusammenhang hat das BAG, unabhängig von einer Zurechnung, § 14 Abs. 1 MuSchG und die daraus resultierende Zuschussverpflichtung zum Mutterschaftsgeld als zwingende Norm nach Art. 9 VO (EG) 593/08 statuiert.[79]

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