Rz. 91

Die Feststellung des auf den Arbeitsvertrag anwendbaren Rechts ist eine der zentralen Fragen bei der Vorbereitung des Auslandseinsatzes. D.h. das Arbeitsverhältnisstatut (teilweise auch Arbeitsvertragsstatut genannt) ist zu bestimmen. Diese Frage entscheidet das internationale Privatrecht des Arbeitsrechts. Diese Regelungen des internationalen Privatrechts stammten ursprünglich aus dem EVÜ v. 19.6.1980,[10] welches in Deutschland am 1.4.1991 in Kraft getreten war und in verschiedenen Normen des EGBGB inkorporiert wurde. Seit dem 17.12.2009 ist nunmehr die VO (EG) 593/08 des Europäischen Parlaments und des Rates v. 17.6.2008 über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht (ROM I) in Kraft getreten und hat die alten Anknüpfungsregelungen abgelöst. Allerdings wurden die bisherigen Regelungen weitgehend wortgleich in die VO übernommen. Anhand dieser Rechtsnormen muss im Fall der Kollision von ausländischem und deutschem Recht entschieden werden, welche Rechtsordnung von einem deutschen ArbG auf einen streitigen (Auslands-) Sachverhalt angewendet wird. Wird vor einem ausländischen Gericht geklagt, entscheidet dagegen das internationale Privatrecht des ausländischen Staates über die anwendbare Rechtsordnung.

[10] EVÜ = Übereinkommen über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht, BGBl 86 II 810, FNB II 1980.

aa) Zusatzvertrag für den Auslandseinsatz zu dem bestehenden Arbeitsvertrag

 

Rz. 92

Der bestehende Arbeitsvertrag und die Zusatzvereinbarung für den Auslandseinsatz unterliegen i.d.R. deutschem Recht. Die Arbeitsvertragsparteien können nach Art. 3 VO (EG) 593/08 das anzuwendende Recht frei wählen, was dem Grundsatz der Privatautonomie Rechnung trägt. Hier wurde der Art. 27 EGBGB weitgehend übernommen, nur bei der stillschweigenden Rechtswahl gab es kleine sprachliche Anpassungen. Diese Wahlfreiheit geht sogar so weit, dass eine direkte Auslandsberührung des Arbeitsverhältnisses nicht bestehen muss. Nach Art. 3 Abs. 1 Satz 3 VO (EG) 593/08 kann sich die Rechtswahl auch nur auf bestimmte Teile des Vertrags beziehen. Die Rechtswahl kann auch nachträglich erfolgen. So kann bspw. i.R.d. Abschlusses der Zusatzvereinbarungen für den Auslandseinsatz auch für den schon bestehenden Arbeitsvertrag das anzuwendende Recht nachträglich gewählt werden. Den Arbeitsvertragsparteien ist anzuraten, sich für die Wahl des deutschen Rechts zu entscheiden. Sie kennen sich in ihrer Heimatrechtsordnung aus und entgehen auf diese Weise u.U. weitreichenden Konsequenzen, die sich für sie aus der Rechtswahl einer unbekannten Rechtsordnung ergeben können. Durch die ausdrückliche Rechtswahl deutschen Rechts wird auch vermieden, dass immer ein Vergleich zwischen deutscher und ausländischer Rechtsordnung vorgenommen werden muss.

 

Rz. 93

Haben die Arbeitsvertragsparteien eine ausdrückliche Rechtswahl nicht getroffen, ist das Arbeitsvertragsstatut zu ermitteln. Es ist mithin festzustellen, ob die Arbeitsvertragsparteien evtl. stillschweigend oder konkludent eine Rechtswahl vorgenommen haben. Die Annahme einer konkludenten Rechtswahl hängt von Indizien ab, deren Häufung und Gewichtung den Schluss auf den tatsächlichen Willen zu einer Rechtswahl rechtfertigen können. Als solche Indizien können die Bezugnahme auf Tarifverträge und sonstige Regelungen am Sitz des Arbeitgebers sowie Gerichtsstandvereinbarungen fungieren.[11]

 

Rz. 94

Treffen die Arbeitsvertragsparteien eine Zusatzvereinbarung für den Auslandseinsatz zu dem bestehenden Arbeitsvertrag, der deutschem Recht unterlag, werden sich aus diesem Arbeitsvertrag Indizien herleiten lassen, die eine konkludente Wahl deutschen Rechts rechtfertigen können. Ist eine konkludente Rechtswahl nicht anzunehmen, ist das maßgebliche Recht anhand objektiver Kriterien nach Art. 8 Abs. 2 VO (EG) 593/08 zu ermitteln. Soweit davon ausgegangen werden kann, dass es sich nur um einen vorübergehenden Auslandseinsatz des Arbeitnehmers i.S.d. Art. 8 Abs. 2 Satz 1 VO (EG) 593/08 handelt, d.h., dass der gewöhnliche Arbeitsort des Arbeitnehmers weiterhin im inländischen deutschen Unternehmen liegt, wird auch in diesen Fällen deutsches Recht anwendbar sein. Teilweise ist jedoch die Abgrenzung, wann noch eine vorübergehende ausländische Beschäftigung vorliegt, im Einzelfall äußerst kompliziert, weil keine starren Zeitgrenzen bestehen, bis zu welchen eine solche noch angenommen werden kann. Dies muss dann anhand der Umstände des Einzelfalls ermittelt werden.[12] Entscheidend ist, dass von dem Arbeitnehmer erwartet wird, dass er nach Beendigung seines Arbeitseinsatzes im Ausland seine Arbeit im Herkunftsland wieder aufnimmt. Der Abschluss eines neuen Arbeitsvertrages mit dem ursprünglichen Arbeitgeber oder einem mit diesem durch dieselbe Unternehmensgruppe verbundenen neuen Arbeitgeber ist dabei unschädlich.[13]

 

Rz. 95

Festzuhalten ist, dass bei Auslandstätigkeiten, bei denen der deutsche Arbeitsvertrag bestehen bleibt und eine Zusatzvereinbarung den Auslandseinsatz regelt, regelmäßig deutsches Recht von den Arbeitsvertragsparteien vereinbart werden sollte. Nur hierd...

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