Rz. 14

Neben der so definierten versicherten Tätigkeit gemäß § 8 Abs. 1 SGB VII sind auch die sog. Wegeunfälle versichert. Es handelt sich dabei in den häufigsten Fällen um das Zurücklegen des mit der versicherten Tätigkeit zusammenhängenden unmittelbaren Wegs nach und von dem Ort der Tätigkeit (§ 8 Abs. 2 Nr. 1 SGB VII). Es handelt sich hierbei um die zentrale Vorschrift des Wegeunfalls. Versichert ist demgemäß immer nur der unmittelbare Weg.

Hierzu existiert eine Vielzahl von gerichtlichen Entscheidungen. Insbesondere, wenn der Mandant auf dem Weg zur und von der Arbeit war, empfiehlt es sich dringend, unter www.sozialgerichtsbarkeit.de zu prüfen, ob tatsächlich ein Wegeunfall vorliegt.

 

Rz. 15

Das Tatbestandsmerkmal "unmittelbar" ist Gegenstand einer Vielzahl von Entscheidungen. Während früher von der Sozialgerichtsbarkeit das Anhalten, Aussteigen aus dem Fahrzeug und Einkaufen im gegenüberliegenden Laden noch als direkter Weg aufgefasst wurde, sagt die neuere Rechtsprechung, dass es sich hierbei um einen Abweg handelt. Versichert sein soll tatsächlich nur noch der direkte Weg. Z.B. hat das Hessische Landessozialgericht (Urt. v. 2.2.2016 – L 3 U 108/15, VersR 2016, 1271) entschieden, dass das Schließen des Hoftores auf jeden Fall vom Versicherungsschutz erfasst ist. In dieser Entscheidung prüft das Hessische Landessozialgericht auch die Frage eines sonstigen Ab- bzw. Umweges.

 

Rz. 16

Abgestellt wird von der Sozialgerichtsbarkeit jeweils auf die Handlungstendenz des Verunfallten, warum die Fahrt unterbrochen wird. Die Formulierung "des mit der versicherten Tätigkeit zusammenhängenden unmittelbaren Weges" stellt eine Kennzeichnung des sachlichen Zusammenhangs des unfallbringenden Weges mit der eigentlich versicherten Tätigkeit dar. Dieser besteht, wenn der Weg wesentlich zu dem Zweck zurückgelegt wird, den Ort der Tätigkeit oder nach deren Beendigung im typischen Falle die eigene Wohnung zu erreichen (Hess. LSG, Urt. v. 2.2.2016 – L 3 U 108/15, VersR 2016, 1271).

 

Praxistipp

Erfragen Sie beim Mandanten, warum er diesen Weg zurückgelegt hat und warum er ihn ggf. verlassen hat, um die Handlungstendenz festzustellen.

 

Rz. 17

Die jüngere Rechtsprechung des BSG stellt zur Bestimmung der Handlungstendenz auf den aktuell zurückgelegten unmittelbaren Weg zur Arbeit allein auf die letzte ausgeübte und nach außen erkennbare zum Unfall führende Handlung des Versicherten ab, ohne diese Verrichtung in eine weitergehende Handlungsabsicht einzubetten (BSG v. 9.11.2010 – B 2 U 14/10 R, NZS 2011, 784). Das bedeutet, dass für den Unfall darauf abzustellen ist, ob der Mandant gerade Zigaretten kaufen wollte oder ob er tatsächlich seinen Weg fortsetzen wollte.

Das BSG sieht in ständiger Rechtsprechung sowohl die Versorgung mit Nahrungsmitteln, als auch das Betanken des Fahrzeuges als Tätigkeiten der Handlungstendenz an, weil sie mit der versicherten Tätigkeit unmittelbar zu tun haben: Ohne Treibstoff gelangt man nicht zur Arbeit und zurück; Nahrung dient der Erhaltung der Arbeitskraft.

 

Rz. 18

Wichtig ist, dass neben dem direkten Weg auch weitere Wege und Umwege ausdrücklich dem gesetzlichen Unfallversicherungsschutz unterfallen. Dazu zählt vor allem das Zurücklegen eines abweichenden Weges, um Kinder, die im gemeinsamen Haushalt leben, zur Betreuung zu bringen, wobei es unerheblich ist, ob diese bei einer anderen Person, in der Schule oder dem Kindergarten stattfindet (§ 8 Abs. 2 Nr. 2, 3 SGB VII). Abgestellt wird ausschließlich darauf, dass der Weg zur Kindertagesstätte, zum Kindergarten und zur Schule nur dann versichert ist, wenn danach der weitere Weg zur Arbeitsstelle hin- bzw. zurückführt. Nicht versichert ist der Weg, wenn er ausschließlich dazu dient, das Kind in den Kindergarten oder zur Schule zu bringen.

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