Rz. 240

Besondere Regelungen enthält § 165 Abs. 2 S. 2 SGB III für Zeiten, in denen auch während der Freistellung eine Beschäftigung gegen Arbeitsentgelt besteht. Nach dieser Regelung gilt der aufgrund der schriftlichen Vereinbarung zur Bestreitung des Lebensunterhalts im jeweiligen Zeitraum bestimmte Betrag als Arbeitsentgelt.

 

Rz. 241

Nach § 165 Abs. 2 S. 3 SGB III gilt für die Berechnung des Insolvenzgeldes eine Entgeltumwandlung als nicht vereinbart, wenn der Arbeitnehmer einen Teil seines Arbeitsentgelts nach § 1 Abs. 2 Nr. 3 BetrAVG (Gesetz zur Verbesserung der betrieblichen Altersversorgung v. 19.12.1974 – Betriebsrentengesetz) umgewandelt hat und diesen Entgeltteil für einen Pensionsfonds, eine Pensionskasse oder eine Direktversicherung verwendet. Insolvenzgeld soll nur noch durchsetzbare Arbeitsentgeltansprüche sichern.

 

Rz. 242

Wird ein Anspruch des Arbeitnehmers durch Urteil des Arbeitsgerichts abgewiesen, ist dieses Urteil wegen der Tatbestandswirkung auch von der Arbeitsagentur (und den Sozialgerichten) zu beachten.[175]

 

Rz. 243

 

Hinweis

Im Übrigen binden arbeitsgerichtliche Urteile nach § 325 ZPO nur die Arbeitsvertragsparteien. Deswegen müssen die Arbeitsagenturen und die Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit, da sie im Allgemeinen nicht am Arbeitsgerichtsprozess beteiligt sind, den Sachverhalt selbstständig ermitteln und rechtlich unabhängig von der Auffassung des Arbeitsgerichts werten.

 

Rz. 244

Arbeitsagenturen und Sozialgerichte haben nach ihren Verfahrensordnungen den Sachverhalt von Amts wegen zu erforschen (Amtsermittlungsgrundsatz). Ein zusprechendes Urteil des Arbeitsgerichts, dem ein von der Dispositionsmaxime geprägtes Verfahren vor­ausgegangen ist, kann für die Bundesagentur für Arbeit nicht bindend sein.

 

Rz. 245

Etwas anderes gilt für Entscheidungen des Arbeitnehmers, die höchstpersönlicher Art sind. So hat ein Verzicht des Arbeitnehmers in einem arbeitsgerichtlichen Vergleich Auswirkungen auch auf den Insolvenzgeldanspruch, da der zu sichernde Arbeitsentgeltanteil nicht mehr besteht. Der Lohnverzicht durch einen isolierten Erlassvertrag nach § 397 BGB unter vollständigem Verzicht auf die Gegenleistung aus dem Arbeitsvertrag ist nicht wegen Verstoßes gegen §§ 305 ff. BGB unwirksam, auch wenn die Erklärung vom Arbeitgeber vorformuliert worden ist, da es sich um die vertragliche Regelung der Hauptleistungspflicht handelt und nicht um kontrollfähige allgemeine Geschäftsbedingungen. Eine etwaige arglistige Täuschung (z.B. über den Erhalt von Arbeitsplätzen trotz drohender Insolvenz) macht den Lohnverzicht nicht unwirksam, sondern berechtigt allenfalls zur Anfechtung nach § 123 BGB.[176]

 

Rz. 246

In der gleichen Richtung hat das BSG entschieden,[177] dass tariflich verzichtete Lohnbestandteile, die im Insolvenzgeldzeitraum kraft tariflicher Regelung neu entstehen und fällig werden, bei der Berechnung des Insolvenzgelds nur zu berücksichtigen seien, wenn sie im Insolvenzgeldzeitraum erarbeitet worden sind. Tarifliche Sanierungsregelungen, die im Ergebnis sicherstellen sollen, dass der Arbeitnehmer für die rechtlich geschuldete volle Arbeitsleistung auch die volle Vergütung verlangen darf, liefen nicht ohne weiteres als Vereinbarung zu Lasten Dritter dem Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden zuwider. Unter Sittenwidrigkeitsgesichtspunkten sei nicht zu beanstanden, wenn für die im Insolvenzgeldzeitraum geschuldeten monatlichen Arbeitszeiten der jeweilige arbeitsvertragliche Monatslohn zu zahlen sei.

 

Rz. 247

Ansprüche, die erfüllt, verwirkt oder wegen einer gesetzlichen Ausschlussfrist ausgeschlossen sind, scheiden als insolvenzgeldbegründende Ansprüche aus.

 

Rz. 248

Hat der Arbeitgeber bei offenen Arbeitsentgeltansprüchen Abschlagszahlungen für Beschäftigungszeiten sowohl vor als auch nach dem Insolvenzgeldzeitraum vorgenommenen, sind diese wegen der geringeren Sicherheit zunächst dem Zeitraum vor dem Insolvenzgeldzeitraum zuzuordnen. § 366 Abs. 1 BGB gilt insoweit nicht.[178]

Wird aufgerechnet, erlischt der Arbeitsentgeltanspruch. Arbeitsentgelt aus einem zweiten Arbeitsverhältnis ist nach § 615 S. 2 BGB anzurechnen.[179]

 

Rz. 249

Hat sich ein Arbeitgeber oder ein Insolvenzverwalter auf die Verjährung berufen, d.h. die Einrede der Verjährung geltend gemacht, ist der Arbeitsentgeltanspruch nicht mehr insolvenzgeldfähig.

 

Rz. 250

Hat der Arbeitnehmer im Insolvenzgeldzeitraum im Rahmen der Gleichwohlgewährung Arbeitslosengeld bezogen (siehe hierzu § 158 Abs. 4 SGB III), führt dies zum Übergang des Arbeitsentgeltanspruchs auf die Arbeitsagentur (§ 115 SGB X). Dem Arbeitnehmer steht insoweit ein Insolvenzgeldanspruch nicht mehr zu. Ist dem Arbeitnehmer allerdings noch ein Rest-Arbeitsentgeltanspruch verblieben, kann er hieraus Insolvenzgeld erhalten.

[178] BSG v. 25.6.2002, SozR 3–4100 § 141b Nr. 24.
[179] BSG v. 17.3.1993, SozR 3–4100 § 141b Nr. 6.

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