Rz. 4

§ 280 Abs. 1 BGB enthält – bis auf die Sonderregelung des § 311a Abs. 2 BGB für eine anfängliche Unmöglichkeit – die einheitliche Haftungsgrundlage für einen Schadensersatzanspruch wegen einer vom Berater nach Vertragsrecht zu vertretenden Pflichtverletzung. Sind die Voraussetzungen der Norm erfüllt, hat der Auftraggeber Anspruch auf "einfachen" Schadensersatz, der auch als "Schadensersatz neben der Leistung" bezeichnet wird. Durch Verletzung einer Pflicht aus einem Schuldverhältnis, die der Berater zu vertreten hat, muss dem Mandanten ein Schaden entstanden sein.

1. Schuldverhältnis

 

Rz. 5

Jeder Rechtsberatervertrag bildet ein Schuldverhältnis i.S.d. Vorschrift (§ 311 Abs. 1 BGB). Darüber hinaus wird ein Schuldverhältnis auch durch die Aufnahme von Vertragsverhandlungen, die Anbahnung eines Vertrages und ähnliche geschäftliche Kontakte begründet (§ 311 Abs. 2 BGB).[8]

2. Pflichtverletzung

 

Rz. 6

§ 280 Abs. 1 BGB umfasst Hauptpflichten (vgl. § 241 Abs. 1 BGB), z.B. die Vertragspflicht zur Rechtsbetreuung (Rechtsberatung und/oder -vertretung), "leistungsbezogene" Nebenpflichten, die unmittelbar der Vorbereitung, Durchführung oder Sicherung der geschuldeten Hauptleistung dienen (vgl. § 241 Abs. 1 BGB), z.B. die Warnpflicht vor Gefahren außerhalb des Mandatsgegenstandes (vgl. § 2 Rdn 10), sowie "nicht leistungsbezogene" Nebenpflichten, die – unabhängig von der hauptsächlichen Leistungspflicht – nur fremde Rechtsgüter und Interessen schützen sollen (§ 241 Abs. 2 BGB).

3. Vertretenmüssen

 

Rz. 7

Der Berater haftet für seine Pflichtverletzung nicht, wenn er diese nicht gem. §§ 276 bis 278 BGB zu vertreten hat (§ 280 Abs. 1 Satz 2 BGB). Da ihn die Beweislast für fehlendes Verschulden trifft, hat er i.d.R. für ein eigenes Verschulden in Gestalt von Vorsatz und Fahrlässigkeit oder für ein solches Verschulden von Erfüllungsgehilfen einzutreten (vgl. § 2 Rdn 409 ff.).

4. Schaden

 

Rz. 8

Es muss ein Schaden im Rechtssinne entstanden sein (vgl. § 5 Rdn 85 ff.), ohne dass zugleich die Voraussetzungen eines Schadensersatzes statt der Leistung nach § 281 oder § 283 BGB gegeben sind. § 280 Abs. 1 BGB schützt das Integritätsinteresse des Mandanten und begründet daher einen Anspruch auf Ausgleich der vermögensmäßigen Nachteile, die ihm bei pflichtgemäßem Verhalten des Beraters nicht entstanden wären.

5. Beispielsfälle für eine Haftung aus § 280 Abs. 1 BGB

a) Schlechtleistung

 

Rz. 9

§ 280 Abs. 1 BGB begründet einen Schadensersatzanspruch in folgenden Beispielsfällen einer fehlerhaften Rechtsberatung:

 

Beispiele

Ein Mandant befragt einen Rechtsanwalt, ob eine verhältnismäßig geringfügige restliche Kaufpreisforderung für ein Grundstück verjährt sei. Der Rechtsanwalt bejaht dies zu Unrecht. Der Verkäufer tritt vom Kaufvertrag wegen Verzuges mit der Kaufpreiszahlung zurück. Der Mandant wird zur Rückübereignung des Grundstücks, dessen Wert den Kaufpreis übersteigt, rechtskräftig verurteilt.

Infolge fehlerhafter steuerlicher Beratung durch einen Rechtsanwalt, Steuerberater oder Wirtschaftsprüfer, z.B. über USt,[9] zur Vermeidung einer verdeckten Gewinnausschüttung[10] oder Aufdeckung stiller Reserven,[11] erleidet der Mandant einen Steuerschaden, der bei richtiger Beratung nicht entstanden wäre.

Wegen mangelhafter Beratung über eine steuersparende Vermögensanlage treten die erstrebten Steuervorteile nicht ein.

[9] Vgl. BGH, WM 1994, 602; BGHZ 134, 212 = WM 1997, 335.

b) Verletzung einer leistungsbezogenen vertraglichen Nebenpflicht

 

Rz. 10

Der Mandant kann einen Schadensersatzanspruch aus § 280 Abs. 1 BGB gegen einen Rechtsberater wegen schuldhafter Verletzung einer leistungsbezogenen vertraglichen Nebenpflicht, die nach ihrem Zweck unmittelbar der ordnungsmäßigen Erfüllung des Schuldverhältnisses dient, etwa in folgenden Fällen erwerben:

 

Beispiele

Ein Rechtsanwalt, der einen Restitutionsanspruch nach dem Vermögensgesetz wegen Rentenforderungen durchsetzen soll, teilt dem Mandanten nicht mit, dass dieser einen solchen Anspruch auch wegen Grund- und Aktienvermögens haben kann und die dafür bestehende Ausschlussfrist abzulaufen droht.[12]

Ein Steuerberater, der die allgemeinen Steuerangelegenheiten seines Auftraggebers betreut, unterrichtet diesen nicht darüber, dass das steuerliche Konzept eines anderen Steuerberaters, das im Auftrag desselben Mandanten für ein bestimmtes Vorhaben erstellt wurde, Mängel aufweist.[13]

[12] Vgl. BGH, WM 1998, 2246, 2247.
[13] Vgl. BGH, WM 2000, 1591, 1593; BGH, WM 2001, 1868, 1869.

c) Verletzung einer nicht leistungsbezogenen Neben-(Schutz-)pflicht

 

Rz. 11

Hier lassen sich folgende Beispiele nennen:

 

Beispiele

Ein Rechtsanwalt oder Steuerberater erfüllt seine vertragliche Hauptpflicht zur Rechtsbetreuung seines Mandanten einwandfrei, hält seine Kanzleiräume aber in schlechtem Zustand. Als der Mandant dort zu einer Besprechung erscheint, kommt er auf brüchigem Boden oder Unrat zu Fall und bricht sich ein Bein.

Ein Rechtsberater übermittelt seine richtigen Ratschläge dem Mandanten in beleidigender Weise.

d) Verschulden vor oder bei Vertragsschluss

 

Rz. 12

Ein Schadensersatzanspruch aus § 280 Abs. 1 BGB kann sich auch ergeben wegen eines Verschuldens vor oder bei Vertragsschluss ("culpa in contrahendo"), also wegen einer schuldhaften Pfli...

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