Rz. 95

Die Arbeitnehmervertretung soll eine Stellungnahme "zu den Entlassungen" abgeben, die der Massenentlassungsanzeige beizufügen ist. Ein Interessenausgleich mit Namensliste ersetzt (in und außerhalb der Insolvenz) die Stellungnahme des Betriebsrats, § 1 Abs. 5 S. 4 KSchG, § 125 Abs. 2 InsO. Dies gilt, sobald der Interessenausgleich zustande gekommen ist, wozu es genügt, dass sich die Betriebsparteien geeinigt haben und der ­Betriebsrat dies durch die Unterschrift eines vertretungsberechtigten Mitglieds unter den Interessenausgleich dokumentiert hat. Dass der Interessenausgleich bereits durch beidseitige Unterzeichnung der gesetzlichen Schriftform des § 112 Abs. 1 S. 1 BetrVG genügt, ist für die Ersetzungswirkung nicht erforderlich.[197]

 

Rz. 96

 

Hinweis

Der Interessenausgleich muss mit der zuständigen Arbeitnehmervertretung abgeschlossen werden.[198] Ein vorsorglich mit dem Gesamtbetriebsrat und den örtlichen Betriebsräten gleichzeitig abgeschlossener Interessenausgleich kann nach dem Gebot der Rechtsquellenklarheit unwirksam sein, wenn sich die Urheberschaft des zuständigen Gremiums nicht zweifelsfrei feststellen lässt.[199] Ein solcher Interessenausgleich dürfte nicht geeignet sein, die Wirkungen des § 1 Abs. 5 S. 4 KSchG, § 125 Abs. 2 InsO auszulösen.

 

Rz. 97

In einen Interessenausgleich ohne Namensliste kann eine Stellungnahme der Arbeitnehmervertretung aufgenommen werden.[200] Das BAG stellt allerdings hohe Anforderungen an eine inhaltlich ausreichende Stellungnahme nach § 17 Abs. 3 S. 2 KSchG: Die Stellungnahme muss sich auf das Ergebnis der Beratungen über die Möglichkeiten beziehen, ­Entlassungen zu vermeiden oder einzuschränken und ihre Folgen zu mildern. Nicht jede ­Äußerung der Arbeitnehmervertretung genügt daher den gesetzlichen Anforderungen. Um der Agentur für Arbeit Auskunft darüber geben zu können, ob und welche Möglichkeiten sie sieht, die angezeigten Kündigungen zu vermeiden, und zugleich zu belegen, dass soziale Maßnahmen mit ihr beraten und ggf. getroffen worden sind, muss sich die Arbeitnehmervertretung in einer Weise äußern, die erkennen lässt, dass sie ihre Beteiligungsrechte als gewahrt ansieht und dass es sich um eine abschließende Erklärung zu den vom Arbeitgeber beabsichtigten Kündigungen handelt.[201] Der Stellungnahme der Arbeitnehmervertretung muss sich daher entnehmen lassen, dass die Arbeitnehmervertretung

sich ausreichend unterrichtet sieht,
die Beratungen als abgeschlossen betrachtet,
eine abschließende Äußerung zu den beabsichtigten Entlassungen abgeben will. Dazu genügt auch die eindeutige Erklärung, keine Stellung nehmen zu wollen.[202]
 

Rz. 98

Die Beifügung der Stellungnahme der Arbeitnehmervertretung ist Wirksamkeitsvoraussetzung für die Massenentlassungsanzeige.[203] Verweigert die Arbeitnehmervertretung eine Stellungnahme oder ist die von ihr abgegebene Erklärung nach den vorstehenden Grundsätzen unzureichend, kann der Arbeitgeber seine nachfolgende Anzeigeverpflichtung nur erfüllen, indem er (vorsorglich) gemäß § 17 Abs. 3 S. 3 KSchG verfährt.[204]

[197] BAG v. 18.1.2012 - 6 AZR 407/10.
[198] ErfK/Gallner, § 125 InsO, Rn 4.
[199] BAG v. 26.9.2017 – 1 AZR 717/15, zur Betriebsvereinbarung.
[201] BAG v. 21.3.2012 – 6 AZR 596/10; Schaub/Linck, § 142 Rn 18.

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