Rz. 53
Bei betriebsbedingten Kündigungen ist nach der Rspr. des BAG nur in seltenen Ausnahmefällen eine Abwägung der beiderseitigen Interessen bei einer an sich betriebsbedingten Kündigung vorzunehmen.[121] Ist mit der Feststellung der dringenden betrieblichen Erfordernisse unter Einbeziehung einer fehlenden zumutbaren Weiterbeschäftigungsmöglichkeit der gesetzliche Kündigungsgrund gegeben, so ist nach richtiger Auffassung für eine zusätzliche Interessenabwägung kein Raum.[122] Die vom Arbeitgeber verfolgten Ziele können nicht durch die möglicherweise entstehenden persönlichen Nachteile der betroffenen Arbeitnehmer in Frage gestellt werden. Das Kündigungsrecht darf erforderliche Kündigungen nicht verhindern.[123] Das BAG[124] hält eine einzelfallbezogene Interessenabwägung bei betriebsbedingten Kündigungsgründen nicht für völlig ausgeschlossen. Wenn überhaupt, könne sich dies allenfalls in seltenen Ausnahmefällen zugunsten des Arbeitnehmers auswirken. Jedenfalls sind nach Auffassung des BAG die aufgestellten Voraussetzungen für eine derartige "Härtefallregelung" so hoch anzusetzen, dass kaum mehr Raum für eine praktische Anwendung einer solchen Interessenabwägung bleibt.[125]
Rz. 54
Bei der verhaltens- und personenbedingten Kündigung ist eine Abwägung der kollidierenden Interessen darauf zu beschränken, das Gewicht der Vertragsbeeinträchtigung im Einzelfall festzustellen. Es ist auf die vom Gesetzgeber getroffenen Wertungen abzustellen.[126] Billigkeitserwägungen, die keinen Bezug zum konkreten Kündigungsgrund haben, sind nicht relevant.[127]
Rz. 55
Praxishinweis
Leider ist insb. erstinstanzlich festzustellen, dass über eine "Interessenabwägung" eigentlich sozial gerechtfertigte Kündigung für unwirksam erklärt werden. Z.B. hört man häufig, dass für diesen Arbeitnehmer doch "irgendwo ein Platz vorhanden sein müsse, auf dem er weiterbeschäftigt werden könne; der Arbeitgeber habe doch so viele Arbeitnehmer". Der Arbeitgeberanwalt sollte sich dadurch nicht beeinflussen lassen. In der Berufungsinstanz sind solche Entscheidungen selten. Rechtsanwälte sollten mehr Mut aufbringen, in zweiter Instanz eine Entscheidung herbeizuführen. Ohne dies statistisch belegen zu können, steigen nach der praktischen Erfahrung des Autors die Chancen, eine arbeitgeberseitige Kündigung durchzusetzen, in der Berufung signifikant.
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