Rz. 58

Da mit dem Zugang der Kündigung die mit ihr bezweckte Gestaltungswirkung unmittelbar herbeigeführt wird, kann der Kündigende die einmal erfolgte Kündigung nicht einseitig zurücknehmen (BAG v. 17.4.1986 – 2 AZR 308/85, NZA 1987, 17 = DB 1986, 2240; Schaub, ArbRHB, § 123 II 4). Damit hat der Arbeitnehmer die Wahl, ob er das Angebot zur Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses annimmt oder ablehnt. Hinsichtlich der möglichen Rechtsfolgen ist zwischen den Situationen vor Klageerhebung und nach Klageerhebung zu unterscheiden.

I. Rücknahme vor Klageerhebung

 

Rz. 59

Die Rücknahme einer Kündigung kann jedoch gem. §§ 133, 157 BGB als Angebot des Kündigenden ausgelegt werden, entweder einen neuen Arbeitsvertrag abzuschließen oder das alte Arbeitsverhältnis fortzusetzen, bei bereits abgelaufener Kündigungsfrist mit rückwirkender Kraft. Dieses Angebot kann der Kündigungsempfänger auch stillschweigend oder durch schlüssiges Handeln annehmen (§ 625 BGB). Dies ist etwa dann der Fall, wenn der Arbeitnehmer mit Wissen und ohne Widerspruch des Arbeitgebers die Arbeit wieder aufnimmt. Allerdings kann ein Arbeitnehmer auch eine aus seiner Sicht unwirksame Kündigung gegen sich gelten und wirksam werden lassen. Erhebt der Gekündigte in einem solchen Fall keine Kündigungsschutzklage, wird die Kündigung gem. § 7 KSchG bzw. § 13 KSchG i.V.m. § 7 KSchG wirksam. Das Arbeitsverhältnis wird damit wirksam beendet.

II. Rücknahme nach Klageerhebung

 

Rz. 60

In der Kündigungsschutzklage ist nicht die antizipierte Zustimmung des Arbeitnehmers zur Rücknahme der Kündigungserklärung durch den Arbeitgeber zu sehen (BAG v. 19.8.1992, AP, Nr. 9 zu § 9 KSchG 1969). Lehnt der Arbeitnehmer das Angebot auf Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses im Prozess ab, entfällt auch nicht sofort das allgemeine Rechtsschutzinteresse für die Kündigungsschutzklage. Dem Arbeitnehmer bleiben in diesem Fall die Rechte gem. §§ 9, 12 KSchG (Auflösungsantrag, Verweigerung der Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bei bestehendem neuen Arbeitsverhältnis, welche geeignet sind, ein rechtliches Interesse an der Fortsetzung des Prozesses zu begründen (BAG v. 29.1.1981, AP, Nr. 6 zu § 9 KSchG 1969; BAG v. 19.8.1982, AP, Nr. 9 zu § 9 KSchG 1969).

 

Rz. 61

Stellt das Gericht fest, dass das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung nicht aufgelöst ist, ist jedoch dem Arbeitnehmer die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses nicht zuzumuten, so hat das Gericht gem. § 9 Abs. 1 S. 1 KSchG auf Antrag des Arbeitnehmers das Arbeitsverhältnis aufzulösen und den Arbeitgeber zur Zahlung einer angemessenen Abfindung zu verurteilen. Stellt der Arbeitnehmer den Auflösungsantrag nach § 9 KSchG, nachdem der Arbeitgeber erklärt hat, er nehme die Kündigung zurück, ist darin i.d.R. eine Ablehnung des Angebotes des Arbeitgebers zu sehen, das Arbeitsverhältnis zu den ursprünglichen Bedingungen fortzusetzen (BAG v. 19.8.1982, EzA § 9 KSchG a.F. Nr. 14).

Allein der Umstand, dass der Arbeitnehmer die gerichtliche Auflösung des Arbeitsverhältnisses gem. § 9 Abs. 1 S. 1 KSchG erstrebt, lässt jedoch seine Pflicht zur Arbeitsleistung nicht entfallen, solange dem Auflösungsantrag nicht – rechtskräftig – stattgegeben ist (BAG v. 14.12.2017 – 2 AZR 86/17, Ls.).

Der Arbeitgeber kommt gem. §§ 295, 296 S. 1 BGB durch Ausspruch einer rechtsunwirksamen ordentlichen Kündigung mit Ablauf der Kündigungsfrist in Annahmeverzug, ohne dass es eines – auch nur wörtlichen – Arbeitsangebots des Arbeitnehmers bedarf. In der Kündigung liegt zugleich die Erklärung, die Arbeitsleistung – nach Ablauf der Kündigungsfrist – nicht mehr anzunehmen (BAG v. 14.12.2017 – 2 AZR 86/17, Rn 32; BAG v. 16.5.2012 – 5 AZR 251/11, Rn 12, BAGE 141, 340; BAG v. 11.1.2006 – 5 AZR 125/05, Rn 10, BAGE 116, 355; BAG v. 13.7.2005 – 5 AZR 578/04, zu II 1 der Gründe, BAGE 115, 216). Annahmeverzug tritt aber mit Ablauf der Kündigungsfrist ohne ein – auch nur wörtliches – Angebot des Arbeitnehmers grundsätzlich dann nicht ein, wenn der Arbeitgeber einen gegen die Kündigung gerichteten Kündigungsschutzantrag bereits vor Ablauf der Kündigungsfrist i.S.v. § 307 S. 1 ZPO anerkennt und dadurch gegenüber dem Arbeitnehmer unmissverständlich klarstellt, zu Unrecht gekündigt zu haben (BAG v. 14.12.2017 – 2 AZR 86/17, Rn 32; vgl. für die Beendigung eines Annahmeverzugs: BAG v. 19.9.2012 – 5 AZR 627/11, Rn 30, BAGE 143, 119; BAG v. 22.2.2012 – 5 AZR 249/11, Rn 14, BAGE 141, 34). Dafür bedarf es nicht erst der Annahme eines entsprechenden Fortsetzungsangebots des Arbeitgebers durch den Arbeitnehmer (BAG v. 14.12.2017 – 2 AZR 86/17, Rn 32). Bereits mit dem Anerkenntnis entfällt vielmehr die bis dahin in der Kündigung liegende Erklärung des Arbeitgebers, die Arbeitsleistung des Arbeitnehmers nach Ablauf der Kündigungsfrist nicht mehr annehmen zu wollen (BAG v. 14.12.2017 – 2 AZR 86/17, Rn 32). Eine Aufforderung zur "Wiederaufnahme" der Arbeit ist nicht erforderlich, wenn es noch nicht zum Eintritt von Annahmeverzug gekommen ist (BAG v. 14.12.2017 – 2 AZR 86/17, Rn 32; anders dagegen für die Beendigung eines bereits eingetretenen Annahmeverzugs BAG v. ...

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Deutsches Anwalt Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge