Rz. 175

Verweigert der Betriebsrat seine Zustimmung, kann das ArbG sie auf Antrag des Arbeitgebers ersetzen, wenn die außerordentliche Kündigung unter Berücksichtigung aller Umstände gerechtfertigt ist (§ 103 Abs. 2 BetrVG). Hierbei ist die Frist des § 626 Abs. 2 BGB zu beachten.

 

Rz. 176

Dabei wirkt sich der Drei-Tage-Zeitraum, der dem Betriebsrat für seine Entscheidung über den Zustimmungsantrag gem. § 103 Abs. 1 BetrVG zur Verfügung steht, auf den Ablauf der Zwei-Wochen-Frist des § 626 Abs. 2 BGB jedoch nicht aus.

 

Rz. 177

 

Hinweis

Will der Arbeitgeber sicherstellen, dass er sein Kündigungsrecht nicht verliert, muss er also innerhalb der Ausschlussfrist des § 626 Abs. 2 BGB nicht nur den Zustimmungsantrag beim Betriebsrat stellen, sondern bei ausdrücklicher oder wegen Fristablaufes zu unterstellender Verweigerung der Zustimmung innerhalb der zwei-Wochen-Frist auch das Verfahren auf Ersetzung der Zustimmung beim ArbG durch Stellung eines Zustimmungsersetzungsantrages in Gang setzen.

 

Rz. 178

Der Arbeitgeber muss daher spätestens zehn Tage, nachdem er Kenntnis von den für die Kündigung maßgebenden Tatsachen erlangt hat, beim Betriebsrat die Zustimmung zur Kündigung beantragen (BAG v. 24.10.1996 – 2 AZR 3/96, NZA 1997, 371; Ascheid/Preis/Schmidt/Linck, § 103 BetrVG Rn 22). Ein Antrag auf Zustimmungsersetzung, der nach Ablauf der Zwei-Wochen-Frist beim ArbG gestellt wird, ist unbegründet, weil damit der wichtige Kündigungsgrund verfristet ist und keine Zustimmung zur außerordentlichen Kündigung mehr erteilt werden kann (BAG v. 20.3.1975, AP BetrVG 1972 § 103, Nr. 2; BAG v. 7.5.1986, AP BetrVG 1972, § 103, Nr. 18).

 

Rz. 179

Der betroffene Arbeitnehmer ist in dem Verfahren vor dem ArbG nach §§ 103 Abs. 2 BetrVG, 83 ArbGG Beteiligter. Er kann nach § 87 Abs. 1 ArbGG Beschwerde (BAG v. 10.12.1992, AP Nr. 4 zu § 87 ArbGG 1979) und nach §§ 92, 92a ArbGG Rechtsbeschwerde (Fitting, BetrVG, § 103 Rn 43) einlegen, auch wenn der Betriebsrat die Entscheidung nicht angreift. Ersetzt das ArbG die Zustimmung des Betriebsrates, kann der Arbeitnehmer auch noch Kündigungsschutzklage erheben, wobei dem Beschlussverfahren nach § 103 Abs. 2 BetrVG jedoch präjudizielle Wirkung zukommen wird, die Klage also i.d.R. unbegründet sein dürfte (BAG v. 10.12.1992, AP Nr. 4 zu § 87 ArbGG 1979, BAG v. 23.6.1993, AP Nr. 2 zu § 83a ArbGG 1979; BAG v. 15.8.2002, AP Nr. 48 zu § 103 BetrVG 1972; Fitting, BetrVG, § 103 Rn 47; Richardi/Thüsing, BetrVG, § 103 Rn 89).

 

Rz. 180

Für seine im Beschlussverfahren zu treffende Entscheidung muss das ArbG alle nach § 626 Abs. 1 BGB maßgebenden Umstände aufklären. Eine Prüfung des Beschlusses des Betriebsrates allein auf Ermessensfehler genügt nicht, vielmehr hat das ArbG eine Rechtsentscheidung zu treffen (BAG v. 22.8.1974, AP Nr. 1 zu § 103 BetrVG 1972; Fitting, BetrVG, § 103 Rn 43).

 

Rz. 181

Wird die Zustimmung durch das ArbG ersetzt, kann der Arbeitgeber nach formeller Rechtskraft der Entscheidung (vgl. hierzu Richardi, RdA 1975, 73 ff.; Galperin/Löwisch, BetrVG, § 103 Rn 25) dem betroffenen Arbeitnehmer kündigen.

 

Rz. 182

Eine vor diesem Zeitpunkt erklärte Kündigung ist nicht nur schwebend unwirksam, sondern unheilbar nichtig (BAG v. 9.7.1998 – 2 AZR 142/98, NZA 1998, 1273; BAG v. 11.11.1976, AP BetrVG 1972, § 103, Nr. 8).

 

Rz. 183

Maßgeblich ist dabei grds. die formelle Rechtskraft der gerichtlichen Entscheidung. Sofern die Rechtsbeschwerde gegen den Zustimmungsersetzungs-Beschluss des LAG, welcher die Zustimmung ersetzt, nicht zugelassen worden ist, tritt die Rechtskraft nach dem Ablauf der Frist für die Einlegung der Nichtzulassungsbeschwerde oder mit der Zurückweisung der Nichtzulassungsbeschwerde durch das BAG ein (BAG v. 9.7.1998 – 2 AZR 142/98, NZA 1998, 1273; ausführlich zu dieser Problematik Ascheid/Preis/Schmidt/Linck, § 103 BetrVG Rn 36 f.).

 

Rz. 184

Grds. kann der Arbeitgeber ein unverzüglich eingeholtes Rechtskraftzeugnis abwarten. Nach Rechtskraft muss der Arbeitgeber die Kündigung jedoch unverzüglich aussprechen (BAG v. 24.4.1975, AP BetrVG 1972, § 103, Nr. 3; BAG v. 18.8.1977, AP BetrVG 1972, § 103, Nr. 10). Im Zeitpunkt der Rechtskraft der Zustimmungsersetzungsentscheidung ist die zweiwöchige Ausschlussfrist des § 626 Abs. 2 BGB regelmäßig bereits verstrichen.

 

Rz. 185

Somit hat der Arbeitgeber nicht mehr beliebig Zeit, die außerordentliche Kündigung auszusprechen. Infolgedessen verlangt das BAG in entsprechender Anwendung des § 174 Abs. 5 SGB IX (vor dem 1.1.2018: § 91 Abs. 5 SGB IX), welcher ebenfalls einen Fall regelt, in dem die Zulässigkeit einer außerordentlichen Kündigung eines Arbeitnehmers von der Zustimmung eines Dritten – dort des Integrationsamtes – abhängt, dass der Arbeitgeber die Kündigung unverzüglich, also ohne schuldhaftes Verzögern (§ 121 Abs. 1 S. 1 BGB) nach Rechtskraft der Entscheidung über den Zustimmungsersetzungsantrag ausspricht (BAG v. 24.4.1975, AP BetrVG 1972, § 103, Nr. 3; BAG v. 25.1.1979, AP BetrVG 1972, § 103, Nr. 12; BAG v. 9.7.1998, AP BetrVG 1972, § 103, Nr. 36; KR/Etzel,...

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