Rz. 110

 

Hinweis

Es kann in der betrieblichen Praxis empfehlenswert sein, im Anhörungsschreiben die in der Vergangenheit erfolgten einschlägigen Abmahnungen dem Anhörungsschreiben als Anlage beizufügen. Das Gleiche gilt im Prinzip auch für andere Unterlagen, wenn sie geeignet erscheinen, den Betriebsrat von der Richtigkeit der Kündigungsentscheidung des Arbeitgebers zu überzeugen.

 

Rz. 111

Ungeachtet der in vielen Fällen empfehlenswerten Praxis besteht indes nach der Rechtsprechung des BAG im Allgemeinen keine Rechtspflicht zur Vorlage von Unterlagen (BAG v. 26.1.1995, NZA 1995, 672; zust. ErfK/Kania, § 102 BetrVG Rn 4; a.A. Fitting, BetrVG, § 102 Rn 26). Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus § 80 Abs. 2 BetrVG.

Umstände, die die Glaubwürdigkeit von Zeugen oder anderen Beweismitteln betreffen, gehören in der Regel nicht zum Kündigungssachverhalt i.S.d. § 102 Abs. 1 S. 2 BetrVG (BAG v. 26.1.1995, NZA 1995, 672, 674). Damit würde unterstellt, dass es solcher Beweismittel bedarf, was jedoch überflüssig ist, wenn die Darstellung des Sachverhalts durch den Arbeitgebers im Prozess vom Arbeitnehmer nicht bestritten wird (BAG v. 26.1.1995, NZA 1995, 672, 674). Wäre der Arbeitgeber generell verpflichtet, dem Betriebsrat auch Umstände mitzuteilen, die Zweifel an der Beweiskraft seiner Beweismittel begründen könnten, würde dies zu einer von § 102 Abs. 1 S. 2 BetrVG nicht beabsichtigten Vermengung der formellen Wirksamkeitsvoraussetzungen für die Anhörung mit der gerichtlichen Überprüfung der Kündigungsgründe und damit zu einer Vorverlagerung des Kündigungsschutzprozesses in das Anhörungsverfahren kommen (BAG v. 26.1.1995, NZA 1995, 672, 674). Somit bleibt den Tatsacheninstanzen die Würdigung vorbehalten, ob das vom Arbeitgeber Vorgetragene beweisbar ist.

 

Rz. 112

Das BAG hat hingegen mit überzeugenden Argumenten entschieden, dass § 80 Abs. 2 BetrVG im Anhörungsverfahren nach § 102 Abs. 1 BetrVG keine Anwendung findet, und ausgeführt, dass systematische Gründe gegen die genannte Literaturmeinung sprechen.

So werden in § 80 BetrVG, also im ersten Abschnitt des vierten Teiles des BetrVG (Mitwirkungs- und Mitbestimmungsrechte der Arbeitnehmer), die allgemeinen Aufgaben des Betriebsrates beschrieben. Demgegenüber wird erst im dritten Unterabschnitt (Personelle Einzelmaßnahmen) des fünften Abschnittes (Personelle Angelegenheiten) die Anhörung des Betriebsrates vor Kündigungen geregelt.

Bei Letzteren handelt es sich nach Ansicht des BAG um abschließende Regelungen, was aus dem Aufbau des dritten Unterabschnittes folge: In § 99 BetrVG sei die Mitbestimmung bei Einstellung, Eingruppierung, Umgruppierung und Versetzung dergestalt geregelt, dass der Betriebsrat vor einer solchen Maßnahme zu unterrichten sei, wobei ihm Auskunft erteilt werden müsse über die Person der Beteiligten und zwar unter Vorlage der erforderlichen (Bewerbungs-) Unterlagen. Demgegenüber sei nach § 102 Abs. 1 BetrVG bei der Anhörung vor der Kündigung der Arbeitgeber (nur) verpflichtet, dem Betriebsrat die Gründe für die Kündigung mitzuteilen. Im Gegensatz zu § 99 BetrVG sei hier gerade nicht gefordert, dass dem Betriebsrat Unterlagen über die Kündigungsabsicht des Arbeitgebers vorzulegen seien. Im Gegenteil: Es handele sich hier um ein nicht formalisiertes Verfahren, sodass selbst eine mündliche Anhörung des Betriebsrates der Vorschrift des § 102 Abs. 1 BetrVG genügen würde (BAG v. 26.1.1995, AP Nr. 69 zu § 102 BetrVG 1972).

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