Rz. 1

Die internationale Zuständigkeit bestimmt die Grenzziehung zwischen der Zuständigkeit deutscher Gerichte und der Zuständigkeit ausländischer Gerichte bei Streitigkeiten mit Auslandsbezug.[1] Ein solcher Auslandsbezug ist insbesondere bei Unfällen deutscher Staatsangehöriger oder mit deren Fahrzeugen im Ausland sowie bei Verkehrsunfällen im Inland unter Beteiligung ausländischer Staatsangehöriger oder deren Fahrzeugen gegeben.

 

Rz. 2

Die Entscheidung über die internationale Zuständigkeit ist mit besonders weitreichenden Konsequenzen verknüpft. Von ihr hängt ab, welche nationalen Vorschriften für das Verfahrensrecht – forum regit processum[2] – und das Kollisionsrecht betreffend die materielle Rechtslage anwendbar sind. Auch unabhängig davon ist es für die Beteiligten in aller Regel von besonderer Bedeutung, ob sie in ihrem Heimatstaat oder im Ausland vor Gericht stehen.[3]

 

Rz. 3

Während von der (direkten) internationalen Zuständigkeit eines angerufenen deutschen Gerichts – als "Befolgungsregel"[4] – abhängt, ob dieses über den anhängig gemachten Rechtsstreit überhaupt in der Sache entscheiden darf, ist die (indirekte) internationale Zuständigkeit eines ausländischen Gerichts eine zentrale – wenn auch nicht die einzige (§ 328 Abs. 1 Nr. 2–5 ZPO) – Voraussetzung im Sinne einer "Beurteilungsregel" dafür (§ 328 Abs. 1 Nr. 1 ZPO), dass dessen Urteil hier anerkannt wird, d.h. seine – nach dem Recht des Ursprungsstaats – bestehenden Wirkungen auf das Inland erstreckt werden.[5] Etwas anderes gilt im Anwendungsbereich der EuGVVO (siehe Rdn 13 ff.): Dort ist die internationale Zuständigkeit grundsätzlich – allerdings nicht ausnahmslos – nicht Voraussetzung für die Anerkennung (Art. 36 EuGVVO).[6]

 

Rz. 4

Wegen des Grundsatzes des gegenseitigen Vertrauens dürfen die Entscheidungen der Gerichte eines anderen Mitgliedstaats grundsätzlich keinesfalls in der Sache selbst nachgeprüft werden (Art. 52 EuGVVO) und müssen im Anerkennungsstaat grundsätzlich dieselben Wirkungen entfalten wie im Ursprungsstaat; das Erfordernis einer einheitlichen Anwendung des Unionsrechts verlangt dabei, dass der genaue Umfang der Beschränkung der Prüfung der Zuständigkeit durch die Gerichte der anderen Mitgliedstaaten auf Unionsebene festgelegt ist und nicht von nationalen Vorschriften abhängt; im Unionsrecht umfasst der Begriff der Rechtskraft nicht nur den Tenor der Entscheidung, sondern auch die Gründe, die den Tenor tragen und von ihm nicht zu trennen sind.[7] Auch das Gericht des Vollstreckungsstaats darf daher – sofern keine Ausnahme greift (wie insbesondere in Versicherungssachen, Art. 45 Abs. 3 und Abs. 1e i), 10 ff. EuGVVO)[8] – die Zuständigkeit der Gerichte des Ursprungsstaats nicht nachprüfen (Art. 45 Abs. 3 EuGVVO).[9] Staatsverträge (siehe unten Rdn 25) gehen der allgemeinen zivilprozessualen Regelung über die Anerkennung ausländischer Entscheidungen (§ 328 ZPO) ebenfalls vor.[10]

 

Rz. 5

Zu trennen ist die Frage nach dem international zuständigen Gericht ferner davon, ob eine Partei der deutschen Gerichtsbarkeit unterliegt (siehe auch oben § 25 Rdn 8 ff.). Die Gebietshoheit des deutschen Staats und damit auch seine Gerichtshoheit ist räumlich (siehe oben § 25 Rdn 9) und persönlich beschränkt: Ihr unterliegen zwar im Grundsatz alle in Deutschland befindlichen Personen ohne Rücksicht auf ihre Staatsangehörigkeit. Dieses Territorialitätsprinzip gilt indes nicht für sog. exterritoriale Personen, die aufgrund völkerrechtlicher Verträge von der deutschen Gerichtsbarkeit ausgenommen sind, wie insbesondere Mitglieder diplomatischer (§ 18 GVG) oder konsularischer (§ 19 GVG) Vertretungen, Repräsentanten anderer Staaten und deren Begleitung, die sich auf amtliche Einladung in der Bundesrepublik Deutschland befinden (§ 20 Abs. 1 GVG), oder andere Personen, die nach allgemeinen Regeln des Völkerrechts, aufgrund völkerrechtlicher Vereinbarungen oder sonstiger Rechtsvorschriften von der deutschen Gerichtsbarkeit befreit sind (§ 20 Abs. 2 GVG).[11] Fremde Staaten sind im Erkenntnisverfahren der deutschen Gerichtsbarkeit nicht unterworfen, soweit ihre hoheitliche Tätigkeit – acta iure imperii – und nicht lediglich ihr kommerzielles Handeln – acta iure gestionis – betroffen ist (§ 20 Abs. 2 GVG, Art. 25 GG: sog. Grundsatz der Staatenimmunität, siehe ausführlich oben § 25 Rdn 11).[12]

 

Rz. 6

Im Anwendungsbereich des NATO-Truppenstatuts (siehe dazu auch § 25 Rdn 161 f.) ist die Klage daher gegen die Bundesrepublik Deutschland zu richten, die für den Entsendestaat (Art. I Abs. 1 (d) NTS) als Prozessstandschafterin – und damit im eigenen Namen (siehe oben § 25 Rdn 115 ff.) – auftritt (Art. 12 Abs. 1 und 2 NTS-AG).[13] Einzelne Mitglieder der Streitkräfte (Art. I Abs. 1 (a) NTS: "Truppe") der Entsendestaaten und ihres zivilen Gefolges (Art. I Abs. 1 (b) NTS)[14] dürfen "einem Verfahren zur Vollstreckung eines Urteils nicht unterworfen werden", welches im Aufnahmestaat (Art. I Abs. 1 (e) NTS) gegen sie in einer aus der Ausübung des Dienstes herrührenden Angeleg...

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