Rz. 19

Wenn ein Arzt oder Anwalt über Jahrzehnte hinweg als alleiniger Inhaber einer Praxis oder Kanzlei im ländlichen Raum tätig war, so wird es seinem Nachfolger schwerfallen, wenn, wie im Rentenmodell, der Anteil der Praxis bzw. Kanzlei über Nacht auf ihn übergeht. Auch hier empfiehlt es sich als Berater, zu einem stufenweisen Vorgehen zu raten. Zunächst einmal tritt der eigentliche Nachfolger mit einem kleinen Anteil der bestehenden freiberuflichen Praxis bei. Aus dem Einzelunternehmen wird eine GbR. Der erste Anteil kann unentgeltlich oder aber bereits gegen Entgelt gewährt werden. Üblich wäre hierbei die Zahlung eines Einmalbetrages (sog. Eintrittsgeld). Nach einer mehrjährigen Einarbeitungsphase, welche verbunden ist mit dem Erarbeiten des Vertrauens der Patienten bzw. Mandanten, wird der zweite Anteil an den Nachfolger übertragen. Nunmehr erfolgt die Übertragung gegen Zahlung einer monatlichen Rente (siehe Rdn 16) oder einer angemessenen Kaufpreiszahlung (siehe auch Rdn 22, 25 ff.). Zu beachten ist, dass durch die vollständige Übertragung des Gesellschaftsanteils an den Übernehmer aus der GbR wieder ein Einzelunternehmen und die GbR beendet wird.[47] Der Rückfall der GbR in ein Einzelunternehmen ist dabei nicht disponibel. Die Existenz von Einpersonengesellschaften ist auf juristische Personen beschränkt und mit der Struktur einer Personengesellschaft (noch)[48] unvereinbar.[49]

 

Rz. 20

 

Steuerlicher Exkurs zur teilweisen oder vollständigen Betriebsaufgabe

Ob der Rückfall in ein Einzelunternehmen, sprich das Ausscheiden des alten Gesellschafters aus der Übergangs-GbR, zu jedem Zeitpunkt steuerlich sinnvoll ist, sollte parallel durch einen Steuerberater geprüft und bewertet werden. Durch den Austritt des übergebenden Arztes bzw. Anwalts sollten nach Möglichkeit keine stillen Reserven aufgedeckt werden. Nicht selten kann es sinnvoll sein, einen gewissen Prozentsatz an Anteilen beim übergebenden Arzt oder Anwalt zu belassen. Denkbar sind Größenordnungen von fünf bis acht Prozent der Gesellschaft. Dies muss aber nicht in jedem Fall sinnvoll sein. Zu beachten ist in jedem Fall in diesem Kontext, dass das Verbleiben in der Gesellschaft, wenn auch nur zu einem geringen Prozentsatz, das Problem der Aufdeckung möglicher stillen Reserven lediglich auf den Zeitpunkt des Todes verlagert. In der Praxis neigen Steuerberater aber sehr häufig zu dieser Vorgehensweise; insbesondere dann, wenn nennenswertes Immobilienvermögen Teile des Betriebsvermögens darstellen. Eine Alternative zu diesem Konzept stellt jedoch § 34 Abs. 2, 3 EStG dar. Danach ist es einmalig und nach Vollendung des 55. Lebensjahres oder bei andauernder Berufsunfähigkeit im sozialversicherungsrechtlichen Sinne[50] möglich, einen außerordentlichen Gewinn zu einem reduzierten Steuersatz zu versteuern, sofern der Betrag von fünf Millionen EUR nicht überschritten wird. Der ermäßigte Steuersatz beträgt dabei gemäß § 34 Abs. 3 S. 2 EStG lediglich 56 Prozent des durchschnittlichen Steuersatzes, der sich ergäbe, wenn die tarifliche Einkommensteuer nach dem gesamten zu versteuernden Einkommen zuzüglich der dem Progressionsvorbehalt unterliegenden Einkünfte zu bemessen wäre.[51] Begünstigt werden Gewinne aus der Veräußerung oder der Aufgabe einschließlich der Realteilung einer Personengesellschaft.[52] Dieser steuerliche Aspekt sollte in der Beraterpraxis in jedem Fall angesprochen werden, wenn der ausscheidende Gesellschafter einen vollständigen Rückzug aus seinem beruflichen Wirken plant. § 34 EStG ermöglicht dem weichenden Gesellschafter somit die Möglichkeit, einen "sauberen Schnitt" unter sein berufliches Wirken zu setzen.

 

Rz. 21

 

Praxistipp

Soll der Praxisübergeber zu einem kleinen Prozentanteil in der Gesellschaft verbleiben, so empfiehlt es sich dringend, Punkte wie beispielsweise Stimmrecht, Verlustbegrenzung und Haftungsfreistellung im Gesellschaftsvertrag zu verankern. Bei übergebenden Ärzten, welche gleichzeitig ihre kassenärztliche Zulassung zurückgeben, sollte zudem besprochen werden, wie bzgl. der Behandlung von Privatpatienten verfahren werden soll. Zur Behandlung dieser (finanziell nicht unlukrativen) Patientengruppe ist der übergebende Arzt nämlich auch noch nach Rückgabe seiner Kassenzulassung befugt. Weiterhin muss geklärt werden, in welchem Umfang der Übergeber noch als Urlaubsvertretung zur Verfügung steht. Diese Punkte sind tendenziell stark konfliktbelastet. Eine explizite Regelung dieser Punkte von Beginn an ist deshalb äußerst ratsam und kann spätere Auseinandersetzungen zwischen dem Übergeber und dem Übernehmer vermeiden.

[47] MüKo/Ulmer, § 705 Rn 60 f.
[48] In der Literatur mehren sich die Stimmen, welche in ganz bestimmten Konstellationen die Möglichkeit mehrerer Beteiligungen sowie Fortbestand der Gesellschaft trotz Reduktion der Gesellschafterzahl auf eine Person annehmen wollen. So zum Beispiel: MüKo-HGB/Grunnewald, § 161 Rn 4 f; Esch, BB 1993, 664 ff. und BB 1996, 1621 ff.; Lüttge, NJW 1994, 5, 8; Kanzleiter, in: FS Weichler, 1997, S....

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