Rz. 9

Ob der notwendige Zusammenhang mit dem Dienst durch ein Abweichen von dem unmittelbaren Weg zwischen Wohnung und Dienststelle (oder umgekehrt) unterbrochen oder gar gelöst wird, ist nach den Umständen des Einzelfalls zu beurteilen.[17] Bei Zurücklegen der Strecke zwischen Wohnung und Dienststelle können Umwege und Unterbrechungen unbeachtlich sein oder die Verknüpfung mit dem Dienst nicht endgültig auflösen, so dass die Unfallfürsorge nicht gänzlich ausgeschlossen ist.[18] Für die Annahme eines Dienstunfalls müssen etwa mitwirkende andere – im privaten Lebensbereich liegende, sog. eigenwirtschaftliche – Ursachen für das Zurücklegen des Weges hinter die Verursachung durch die Anforderungen des Dienstes zurücktreten. Die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts stimmt mit der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts für die Annahme eines Wegeunfalls weitgehend überein. In der Rechtsprechung beider Bundesgerichte wird betont, dass jeweils nach den Umständen des Einzelfalls unter Berücksichtigung der Verkehrsauffassung zu beurteilen ist, ob der Versicherte/Beamte mit seinem Verhalten den ursächlichen Zusammenhang mit dem Dienst im rechtlichen Sinne unterbricht oder gar löst.[19]

 

Rz. 10

Es kommt etwa auf den Einzelfall an, welcher Umweg zur Parkplatzsuche in einer Großstadt den Zusammenhang zum Dienst noch aufrechterhält. Insgesamt neigt die Rechtsprechung zu einer restriktiven Auslegung der Vorschriften über den Wegeunfall. Denn die gesetzliche Fiktion, dass der Weg zum Dienst unfallrechtlich auch als Dienst gilt, ist eine Ausnahmeregelung. Es soll nicht zu einer vom Gesetzgeber nicht gewollten Ausdehnung der Unfallfürsorge kommen.[20]

 

Rz. 11

Hierzu hat sich eine umfangreiche und kaum mehr überschaubare Kasuistik entwickelt.[21] Vorbereitungshandlungen sind nicht dem Wegeunfall zuzurechnen. Das sind solche Tätigkeiten, die der eigentlichen versicherten Tätigkeit vorangehen und/ oder ihre Durchführung erleichtern oder überhaupt erst ermöglichen (z.B. Nahrungsaufnahme, Ankleiden, Wartung, Betanken des eigenen Pkw, Kauf einer Bahnfahrkarte für den Weg zur Arbeit, Erkundigungsfahrt zur neuen Arbeitsstelle) oder die der Beseitigung von Hindernissen bei der Zurücklegung des Arbeitsweges (Schneeschaufeln zur Freilegung der Garagenausfahrt) bis hin zu Maßnahmen zur Erhaltung oder Wiederherstellung der Arbeitskraft (Kauf von Medikamenten, Kauf von Lebensmitteln) reichen.[22] So gilt das Anbringen einer Frostschutzfolie am abgestellten Auto, um den Arbeitsweg zu erleichtern, als solche Vorbereitungshandlung,[23] ebenso wie die sensorische Prüfung der Fahrbahnglätte.[24] Etwas anderes gilt nur dann, wenn auf dem Weg unvorhergesehene Hindernisse beseitigt werden.[25]

 

Rz. 12

Der Zusammenhang mit dem Dienst bleibt – ausnahmsweise – etwa bestehen, wenn auf dem Weg von der Dienststelle zur Wohnung ein Nachtanken zwingend erforderlich ist, da der Weg nicht mit einer Tankfüllung zurückgelegt werden kann.[26] Das gilt auch, wenn auf dem Weg zur Erhaltung der Dienstfähigkeit ein Stehimbiss zum Erwerb und Verzehr von Speisen aufgesucht wird.[27] Dazu muss aber der Anfang- und Endpunkt dieses Weges sicher feststellbar sein.[28] Auch der Weg eines Beamten während der Wartezeit auf den Bus auf dem Nachhauseweg zur Verrichtung der Notdurft in einem der Bushaltestelle unmittelbar gegenüber liegenden Gebüsch ist vom Unfallschutz/Dienstunfallschutz erfasst.[29]

 

Rz. 13

Der Zusammenhang mit dem Dienst wird andererseits unterbrochen, wenn auf dem Heimweg ein im Restaurant bestelltes Essen abgeholt wird,[30] in einer Apotheke Medikamente besorgt werden,[31] zur Unfallvermeidung das Wegrollen eines geparkten Kraftfahrzeuges verhindert werden soll[32] oder der Betroffene auf dem Weg zum Dienst aus privaten Gründen einen Strand besucht.[33] Der Zusammenhang mit dem Dienst wird gelöst, wenn auf dem Weg eine mehrstündige Unterbrechung zum Schlafen[34] oder zur Reparatur eines Kraftfahrzeuges erfolgt, die über die bloße Pannenbeseitigung hinausgeht.[35]

 

Rz. 14

Maßgeblich für das Ende einer eigenwirtschaftlichen Unterbrechung soll die nach außen erkennbare objektivierbare Handlungstendenz sein. Wenn der Betroffene etwa den Tankvorgang beendet hat, durch Anfahren des Fahrzeugs das Tankstellengelände in Richtung auf seine Arbeitsstätte verlassen und wieder mit seinem Fahrzeug auf die Fahrbahn der Straße in Richtung seiner ursprünglichen Fahrtrichtung unterwegs war, liegt darin die für die Beendigung der Unterbrechung nach außen hin kundgegebene Handlungstendenz, wieder zur Arbeit zu fahren und die privatwirtschaftliche Tätigkeit zu beenden.[36] So ist auch ein Unfall nach dem Umdrehen in Richtung abgestelltes Auto (Arbeitsweg) auf dem Gehweg vor einer Bäckerei (eigenwirtschaftliche Tätigkeit) vom Unfallschutz umfasst. Denn durch das Umdrehen wird deutlich gemacht, dass die privatwirtschaftliche Tätigkeit beendet ist.[37]

 

Rz. 15

Ein Unfall auf dem Rückweg von der Arbeitsstelle nach der Teilnahme an einer freiwilligen Protestveranstaltung, mit der auf...

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