Rz. 7

Bessere Verteidigungsansätze bestehen hingegen bei relativer Fahruntüchtigkeit, nämlich im Bereich der Frage, ob tatsächlich alkoholtypische Ausfallerscheinungen festgestellt werden konnten. Es geht hier um die Wertung in der Gesamtschau aller relevanten Indizien der Alkoholfahrt, also die Höhe der BAK sowie das individuelle Verhalten des Fahrzeugführers, welches auf die genannten Ausfallerscheinungen während der Fahrt, in seiner Person oder während der Kontrolle zu untersuchen ist.[9] Dabei kommt ab einer BAK 0,3 ‰ relative Fahruntüchtigkeit in Betracht. Unter diesem Grenzwert liegt eventuell eine Ordnungswidrigkeit vor. Wichtig ist noch zu wissen, dass je höher die festgestellte Alkoholisierung ist, desto geringer die Anforderungen zum Beweis an die Feststellung von alkoholbedingten Ausfallerscheinungen sind.[10]

 

Rz. 8

Muster 28.2: Kein Schluss auf relative Fahruntauglichkeit (1)

 

Muster 28.2: Kein Schluss auf relative Fahruntauglichkeit (1)

In der Strafsache

gegen _________________________

wegen Trunkenheitsfahrt

soll der Höhe der festgestellten BAK (0,6 ‰) seitens der Verteidigung zwar nicht entgegengetreten werden. Allerdings liegt gleichwohl kein Fall der fahrlässigen Trunkenheitsfahrt vor.

Die Staatsanwaltschaft stützt ihre Anklage darauf, mein Mandant sei wegen seines alkoholisierten Zustands auf feuchter Straße von der Fahrbahn abgekommen. Hierbei handele es sich um eine alkoholtypische Ausfallerscheinung, weshalb ein Fall der relativen Fahruntüchtigkeit vorliege.

Das ist unzutreffend.

Der Nachweis, dass der Fahrzeugführer einen Unfall infolge alkoholbedingter Fahruntüchtigkeit verursacht hat, ist nicht erbracht, wenn der Fahrzeugführer bei schlechten Straßenverhältnissen mit einer Blutalkoholkonzentration von 0,6 ‰ beim Rechtsabbiegen zu weit nach links abkommt und dadurch im Kreuzungsbereich gegen ein auf der Gegenseite geparktes Fahrzeug fährt. Denn dieses verkehrswidrige Verhalten kann auch auf einem normalen "Fahrfehler" beruhen, der auch einem nüchternen Fahrer hätte unterlaufen können (LG Leipzig DAR 2006, 402). Dies ist grundsätzlich zu beachten und zu klären, ob auch zahlreiche nicht alkoholisierte Fahrer solche Verstöße begehen, auch wenn dies die Indizwirkung des Verkehrsverstoßes für eine alkoholbedingte Fahruntauglichkeit nicht gänzlich ausschließt (BVerfG VRS 90, 1). Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze liegt kein strafbares Verhalten meines Mandanten vor. Auch ein nichtalkoholisierter Verkehrsteilnehmer hätte sich bei den Straßenverhältnissen schlicht "verschätzen" können und wäre von der Fahrbahn abgekommen. Dies ist von der Staatsanwaltschaft im Rahmen ihrer Ermittlungen und rechtlichen Würdigung nicht berücksichtigt worden.

Es wird beantragt, die Anklage nicht zur Hauptverhandlung zuzulassen, das Verfahren also aus tatsächlichen und rechtlichen Gründen nicht zu eröffnen, §§ 199, 200 StPO.

 

Rz. 9

Muster 28.3: Kein Schluss auf relative Fahruntauglichkeit (2)

 

Muster 28.3: Kein Schluss auf relative Fahruntauglichkeit (2)

Die Angelegenheit habe ich zwischenzeitlich mit meinem Mandanten besprochen. Zur Sache erfolgt die nachstehende Einlassung:

Seitens der Staatsanwaltschaft wird gegen meinen Mandanten wegen einer fahrlässigen Trunkenheitsfahrt ermittelt. Gestützt wird der Vorwurf auf die festgestellte BAK von 0,65 ‰ und darauf, man habe eine alkoholbedingte Ausfallerscheinung feststellen können, weil er "Schlangenlinien" gefahren und die Mittelspur mehrfach überfahren und sein Fahrzeug dann wieder ruckartig nach rechts gelenkt habe.

Die Auffälligkeiten in der Fahrweise genügen nicht, eine alkoholbedingte – relative Fahruntüchtigkeit – zu belegen. Im Fahrzeug meines Mandanten befand sich dessen Freundin, mit der er kurz zuvor einen heftigen Streit gehabt hatte. Dies wirkte sich dann auch auf die Fahrweise aus. Das mehrfache Überfahren der Mittellinie lässt sich schon dadurch erklären, dass mein Mandant seine Freundin im Rahmen der Auseinandersetzung angeschaut hat und deswegen kurzfristig vom Weg abkam. Es ist nachvollziehbar, dass dieser Streit heftiger wurde und von Seiten der Freundin meines Mandanten auch von heftigeren Gesten begleitet gewesen ist. Dies begründet die deutlicheren Spurabweichungen in der Folge. Dass mein Mandant beim Linksabbiegen nicht geblinkt hat, hat keinerlei Indizwirkung, da es sich hierbei nicht um einen alkoholtypischen Fahrfehler handelt (vgl. hierzu auch LG Freiburg NZV 2009, 614). Ferner weise ich darauf hin, dass am Tattag starker Wind herrschte, was sicherlich auch von den Polizeibeamten, die hinter meinem Mandanten fuhren und ihn letztlich anhielten, bestätigt werden kann. Starker Seitenwind wirkt sich gerade bei dem relativ leichten Fahrzeug meines Mandanten, einem Toyota Aygo, aus. Schlangenlinien haben dann keine Indizwirkung (OLG Hamm NZV 1994, 117). Zu berücksichtigen ist ganz allgemein, dass auch viele nicht alkoholisierte Verkehrsteilnehmer Fahrfehler begehen, etwa zu schnell fahren (BGH StV 1994, 543).

Ich beantrage daher, das Ermittlungsverfahren ge...

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