Rz. 147

Steht nach dieser Prüfung fest, dass die Versicherungssumme nicht in den Nachlass fällt und ist im Verhältnis zum Bezugsberechtigten eine Schenkung gegeben, stellt sich somit die Frage nach dem Ergänzungsanspruch.[86]

 

Rz. 148

Um diesen ermitteln zu können, hat der Berechtigte einen Anspruch aus § 2314 BGB. Der Pflichtteilsberechtigte kann gem. § 2314 Abs. 1 BGB vom Erben auch Auskunft über den sog. fiktiven Nachlass verlangen, also über Zuwendungen des Erblassers, die einen Pflichtteilsergänzungsanspruch aus § 2325 Abs. 1 BGB begründen können. Der Auskunftsanspruch des Pflichtteilsberechtigten beschränkt sich nicht auf die Mitteilung der für Lebensversicherungen gezahlten Prämien. Wendet der Erblasser die Todesfallleistung aus einem von ihm auf sein eigenes Leben abgeschlossenen Lebensversicherungsvertrag einem Dritten über ein widerrufliches Bezugsrechtschenkungsweise zu, so berechnete sich ein Pflichtteilsergänzungsanspruch weder nach der Versicherungsleistung noch nach der Summe der vom Erblasser gezahlten Prämien. Es kommt vielmehr allein auf den Wert an, den der Erblasser aus den Rechten seiner Lebensversicherung in der letzten – juristischen – Sekunde seines Lebens nach objektiven Kriterien für sein Vermögen hätte umsetzen können, so dass dieses im Rahmen der Auskunft mitzuteilen ist.[87]

Es ist also der Verkehrswert ausschließlich maßgeblich.

 

Rz. 149

Umstritten war bis 2010 der ergänzungserhebliche Umfang der schenkungsweisen Zuwendung des Bezugsrechts. Bis dahin herrschte Unsicherheit, ob die Zuwendung in

der Versicherungssumme,[88]
dem Rückkaufswert zur Zeit des Erbfalls oder
den vom Erblasser entrichteten Prämien bis zum Grenzwert der Versicherungssumme (dem sog. Ist-Wert)[89]

liegt. Diese Diskussion ist beendet, es ist der Verkehrswert.

 

Rz. 150

Für die Abklärung von Schadensersatzansprüchen wegen möglicher fehlerhafter Beratung bei der Vermögensplanung bzw. bei der Prozessführung ist die Kenntnis der zeitlichen Abfolge der unterschiedlichen Rechtsansichten von Bedeutung:

 

Rz. 151

Im Jahr 2007 hat das OLG Stuttgart sich für die gezahlten Prämien als Bemessungsgrundlage entschieden.[90]

2008 hat das OLG Düsseldorf sich für die Versicherungssumme entschieden.[91]

Zitat

"Im Jahr 2008 haben die Landgerichte Göttingen und Paderborn entschieden, dass mit Blick auf die Entscheidung des BGH zum Insolvenzrecht auch im Pflichtteilsrecht nicht mehr die Prämien, sondern die Versicherungssumme als Zuwendungsgegenstand zu betrachten sei. Unter ausdrücklicher Anknüpfung an das LG Göttingen hat sich auch das OLG Düsseldorf dieser Auffassung angeschlossen."[92]

 

Rz. 152

Der vom OLG Colmar zugrunde gelegte Rückkaufswert zur Zeit des Todes ist ebenfalls unzutreffend.[93]

[86] Staudinger/Herzog, § 2325 Rn 120, 125.
[88] Josef, ArchBüR 42 (1916) 319; Natter, ZBlFG 8 (1907/1908) 303; in jüngerer Zeit: Harder, FamRZ 1976, 617 ff.; MüKo-BGB/Kollhosser, § 516 Rn 58; Kollhosser, in: Prölss/Martin, VVG, ALB 86 § 13 Rn 48; Eulberg/Ott-Eulberg/Riedel, § 7 Rn 34 ff.; Elfring, ZEV 2004, 305; Grüneberg/Weidlich, § 2325 Rn 13 (keine eigene Stellungnahme vornehmend); OLG Düsseldorf ZEV 2008, 292.
[89] Für die Prämie als Bezugsgröße die ständige höchstgerichtliche Rspr.: RGZ 128, 187, 190; BGHZ 7, 134, 143; BGH FamRZ 1976, 616 m. abl. Anm. Harder; BGHZ 130, 377, 380 = ZEV 1996, 26 m. Anm. Klingelhöffer. In der Literatur: MüKo-BGB/Lange, § 2325 Rn 22; MüKo-BGB/Frank (3. Aufl. 1997), § 2325 Rn 17; Erman/Schlüter, § 2325 Rn 1; Bamberger/Roth/J. Mayer, § 2325 Rn 2; Klingelhöffer, Pflichtteilsrecht, Rn 345; Hasse, Lebensversicherung und erbrechtliche Ausgleichsansprüche, S. 17 ff.
[92] Schindler, ZErb 2008, 332.
[93] OLG Colmar LZ 1913, 876 (878).

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