Rz. 146

Eine Partei ist durch ein Grundurteil beschwert, soweit dieses für sie negative Bindungswirkung (siehe unten Rdn 163 ff.) hat, was im Wege der Auslegung der Urteilsformel unter Heranziehung der Entscheidungsgründe zu ermitteln ist.[231] Wenn z.B. schon im Grundurteil die Unfallbedingtheit eines bestimmten Leidens des geschädigten Klägers festgestellt wird, so ist auch dagegen bereits eine Berufung des beklagten Schädigers nötig.[232]

 

Rz. 147

Bei einem Zwischenurteil über den Grund kann daher auch die (formelle) Beschwer des Klägers (siehe dazu § 28 Rdn 17) nicht, wie im Regelfall, alleine danach bestimmt werden, ob und in welchem Umfang der Tenor der angefochtenen Entscheidung von dem in der Instanz zuletzt gestellten Antrag abweicht.[233] Ein Grundurteil kann den Geschädigten als Kläger vielmehr sogar dann beschweren, wenn der Urteilstenor das Klagebegehren dem Grunde nach in vollem Umfang für gerechtfertigt erklärt, in den Entscheidungsgründen aber zu seinen Lasten bindend festgestellt wird, auf welcher Grundlage das Betragsverfahren aufzubauen hat und welche Umstände abschließend im Grundverfahren geklärt sind, das Urteil also insoweit eine für die Partei negative Bindungswirkung aufweist.[234]

 

Rz. 148

Auch bei einem Grundurteil erwächst die Entscheidung, dass eine hilfsweise zur Aufrechnung gestellte Gegenforderung nicht besteht, in Rechtskraft (§ 322 Abs. 2 ZPO) und erhöht daher die Beschwer der beklagten Partei.[235] Keine Erhöhung der Beschwer findet dagegen statt, wenn ein Abrechnungsverhältnis vorliegt, in das die gegenseitigen Forderungen lediglich als Rechnungsposten eingestellt werden.[236] Ebenso wenig erhöht sich die Beschwer des Beklagten durch das Grundurteil, wenn die von ihm zur Aufrechnung gestellten Forderungen nur bei der im Rahmen der für die Zulässigkeit eines Grundurteils gebotenen Prognose (siehe oben Rdn 113) dahin berücksichtigt werden, dass dem Kläger im Ergebnis dennoch etwas zuzusprechen sein wird.[237]

 

Rz. 149

Bei einem Teilgrundurteil bemisst sich die Beschwer allein nach dem durch das Teilurteil beschiedenen Teil des Streitgegenstandes. Dass der Erlass eines Teilurteils unzulässig war (§ 301 ZPO; siehe oben Rdn 7 ff.), erhöht den Wert der Beschwer eines Teilgrundurteils in der Regel nicht.[238] Bei willkürlicher Trennung eines Rechtsstreits in mehrere Verfahren, deren Streitwert jeweils unter der Rechtsmittelsumme liegt, kann ausnahmsweise etwas anderes gelten.[239]

[232] OLG Celle, Urt. v. 9.2.1959 – 5 U 4/58, VersR 1960, 260.
[235] BGH, Urt. v. 30.10.1997 – VII ZR 299/95, NJW 1998, 686; BGH, Urt. v. 1.6.1967 – II ZR 130/65, BGHZ 48, 212.
[237] BGH, Beschl. v. 30.10.1997 – VII ZR 299/95, NJW 1998, 686.
[238] BGH, Beschl. v. 30.10.1997 – VII ZR 299/95, NJW 1998, 686.
[239] BGH, Urt. v. 6.7.1995 – I ZR 20/93, NJW 1995, 3120.

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