Rz. 18

Für Vollstreckungshilfeersuchen ausländischer Behörden sind zunächst die jeweiligen Amts- und Rechtshilfe-Vereinbarungen maßgebend.[29]

 

Rz. 19

Unter Umständen ist eine solche Vereinbarung aber nicht mehr auszuführen, z.B. wenn ausländische Regelungen mit den nach unserer Rechtsordnung verfassungsrechtlich verbrieften Auskunfts- und Zeugnisverweigerungsrechten nicht in Einklang zu bringen sind. Gegen den deutschen "ordre public" verstoßende ausländische Entscheidungen[30] dürfen nicht vollstreckt werden.[31] In solchen Fällen ist keine Vollstreckungshilfe zu leisten.[32] So sind z.B. österreichische Bußgelder, die durch die sogenannte Halterhaftung zustande gekommen sind, nicht zu vollstrecken.[33]

Das hat grundsätzlich auch nach der Umsetzung der EU-Rahmenbeschlusses zu gelten.[34]

 

Rz. 20

Beschlagnahmen ausländische Behörden deutsche Führerscheine, etwa weil die betroffenen deutschen Kraftfahrer die Zahlung eines Bußgeldes verweigern und stellen sie über diese Beschlagnahme dann eine Bescheinigung aus, dann müssen die ausländischen Behörden die einbehaltenen Führerscheine aber spätestens bei der Ausreise an der Grenze wieder zurückgeben. Dies ist Ausfluss des Territorialprinzips.[35] Anderes gilt nur bei entsprechend anderer Vereinbarung.[36]

 

Rz. 21

Die Rückgabe erfolgt in der Praxis aber oft nicht. Die Betroffenen beantragen dann häufig unter Vorlage der italienischen Bescheinigung die Ausstellung eines Ersatzführerscheins. Mit Blick auf das rechtswidrige Verhalten der ausländischen Behörde wird trotz rechtlicher Bedenken die Ausstellung des Ersatzführerscheins auf den Gedanken des § 25 Abs. 4 FeV gestützt werden können.[37]

[29] Vgl. dazu: Janker/Albrecht, Fahrverbot und Fahrerlaubnisentziehung in Deutschland nach Verkehrsverstößen im Ausland, DAR 2009, 314 ff., die die wichtigen und aktuellen Vereinbarungen mit einzelnen Ländern aufzeigen, insb. auch Vollstreckung Schweiz – Deutschland, Frankreich – Deutschland, Österreich – Deutschland; vgl. Gebhardt, Verteidigung in Verkehrsstraf- und Ordnungswidrigkeitenverfahren, 8. Aufl. 2015, § 17 Rn 1 ff.; vgl. z.B. auch den Vertrag zwischen der BRD und der Republik Österreich über Amts- und Rechtshilfe in Verwaltungssachen v. 31.5.1988, BGBl II 1990 S. 357; vgl. – RdSchr. d. BMI v. 3. 9. 1990 – VII 6 – 130 081 – OST/3 – der vorbezeichnete Vertrag mit Österreich ist am 1.10.1990 in Kraft getreten. Danach ist die Vollstreckung österreichischer Bußgelder bereits ab einem Betrag von 25 EUR möglich.
[30] Vgl. z.B. Halterhaftung im fließenden Verkehr, Halter-Lenker-Auskunft nach österreichischem Recht; zur Halterhaftung in Europa: 48. VGT Goslar 2010, AK I mit Beiträgen Brenner, Blindenbacher, Nissen.
[31] Vgl. BVerfG NJW 2005, 2289; Gebhardt, Verteidigung in Verkehrsstraf- und Ordnungswidrigkeitenverfahren, 8. Aufl. 2015, § 17 Rn 20 ff.
[32] Gebhardt, MittBl. ARGE VerkR 1999, 10. Siehe auch: Neidhart, Verkehrs- und Sanktionsrecht im deutsch-italienischen Straßenverkehr, DAR 1999, 444, 445.
[33] Gebhardt, Verteidigung in Verkehrsstraf- und Ordnungswidrigkeitenverfahren, 8. Aufl. 2015, § 17 Rn 23; VG Neustadt an der Weinstraße – 3 L 893/12.NW: Ein Kraftfahrer (ASt.) mietete im Juni 2011 ein Fahrzeug mit dem er durch Österreich fuhr. Im Juli 2012 erhielt er wegen eines Geschwindigkeitsverstoßes eine sog. Anonymverfügung über 200 EUR. Auf den Radarbildern war lediglich das Auto von hinten zu sehen. Der Betroffene machte deshalb keine Angaben über Fahrer. Obwohl er dies der Behörde über seinen RA mitteilte, kam es in der Folge zu einem Straferkenntnis. Das Straferkenntnis ergeht nach Durchführung eines ordentlichen Verfahrens bzw. nachdem gegen eine Strafverfügung Einspruch erhoben wurde. Dabei stützte sich die österreichische Behörde auf die dort geltende Halterhaftung. Danach kann der Halter bzw. Mieter eines Fahrzeugs in Anspruch genommen werden, wenn sich nicht herausstellen lässt, wer zum Tatzeitpunkt das Auto gefahren hat. Eine Ahndung dieser Nichtbenennung als Ordnungswidrigkeit und eine strafbewehrte Auskunftspflicht des Halters verstößt nach unserem Rechtsverständnis gegen fundamentale deutsche Rechtsgrundsätze (Verstoß gg. das Verbot eines Zwangs zu Selbstbezichtigung und gegen das Schweigerecht des Angeklagten im Strafrecht; vgl. hierzu auch BVerfG, Beschl. v. 7.7.1995 – 2 BvR 326/92, NStZ 1995, 555 m.w.N. Nachdem sich die Antragsgegnerin dieser Rechtsauffassung angeschlossen hat, erklärte der Antragssteller den Rechtsstreit für erledigt.
[34] Gebhardt, Verteidigung in Verkehrsstraf- und Ordnungswidrigkeitenverfahren, 8. Aufl. 2015, § 17 Rn 23.
[35] Janker/Albrecht, Fahrverbot und Fahrerlaubnisentziehung in Deutschland nach Verkehrsverstößen im Ausland, DAR 2009, 314 ff., 316.
[36] Janker/Albrecht, a.a.O.
[37] Empfehlung des Bund-Länder-Fachausschuss-FE I/99 v. 16./17.3.1999. Vgl. dazu insgesamt auch Neidhart, Verkehrs- und Sanktionsrecht im deutsch-italienischen Straßenverkehr, DAR 1999, 444; vgl. auch ders., Polizeiabkommen gegen durchreisende Verkehrssünder, DAR 200...

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