Rz. 93

Bei einem Geldvermächtnis[59] kommt zur Beschleunigung der Sache eine Klage im Urkundenprozess nach §§ 592 ff. ZPO in Betracht. Das Vermächtnis muss immer auf einer Verfügung von Todes wegen beruhen, insofern liegt immer eine Urkunde vor, und zwar gleichgültig ob als notarielles oder privatschriftliches Testament. Lediglich die Beweiskraft ist unterschiedlich: § 415 ZPO beim notariell beurkundeten Testament, § 416 ZPO bzw. § 440 ZPO beim handschriftlichen Testament.

 

Rz. 94

Zur Beweiskraft eines notariellen Testaments führt das BayObLG in einem Beschl. v. 21.10.1999[60] aus:

Zitat

"Die über die Errichtung des Testaments aufgenommene notarielle Urkunde ist eine öffentliche Urkunde i.S. von § 415 ZPO. In der Frage, ob der Tatbestand einer Testamentserrichtung durch mündliche Erklärung gemäß § 2232 S. 1 BGB vorliegt, ist daher von der Beweiskraft der öffentlichen Urkunde gemäß § 415 I ZPO auszugehen (RGZ 85, 120 [124]; OLG Hamm OLGZ 1989, 20 [23]) [...] Erforderlich ist der Nachweis der Unrichtigkeit; das bloße Erwecken von Zweifeln reicht nicht aus. Der Richter ist durch die Anordnung des vollen Beweises (§ 415 I ZPO) gehindert, vorhandenen Zweifeln an der formalen Richtigkeit des Urkundeninhalts Raum zu geben (Schreiber, in: MüKo-ZPO, 1992, § 415 Rn 26; Stein/Jonas/Leipold, ZPO, 21. Aufl., § 415 Rn 11 und 13). Die öffentliche Beurkundung besteht solange zu Recht, bis durch die etwa mögliche Aufklärung des Verlaufs der Verhandlung ihre Unrichtigkeit zur Gewissheit wird (RGZ 85, 120 [125]). Die gesetzliche Vermutung des § 415 I ZPO ist nicht widerlegt, solange nicht alle Möglichkeiten ausgeräumt sind, die irgendwie für die Richtigkeit des Inhalts der Urkunde sprechen (vgl. RGZ 131, 284 [288 f.]; BGHZ 16, 217 [227]). [...]"

Die Vorinstanzen haben [...] eine freie Beweiswürdigung des Ergebnisses der Vernehmung des Notars und der Schreibzeugin vorgenommen, ohne zu beachten, dass ihnen dies durch die gesetzliche Beweisregel des § 415 I ZPO verwehrt war (vgl. OLG Frankfurt NJW-RR 1990, 717; Stein/Jonas/Leipold, § 415 Rn 11).“

 

Rz. 95

Als weitere Urkunde ist aber noch die Niederschrift des Nachlassgerichts über die Eröffnung der Verfügung von Todes wegen vorzulegen, darin enthalten ist gleichzeitig der Nachweis über den Tod des Erblassers, bisweilen auch der Nachweis über die Annahme der Erbschaft durch den Erben und des Vermächtnisses durch den Vermächtnisnehmer.

 

Rz. 96

Im Urkundenprozess kann der Beklagte rechtsvernichtende Einwendungen gegen die eingeklagte Forderung mit einer Niederschrift über richterliche Zeugenvernehmungen urkundlich belegen.[61]

Zur Widerklage in der Form des Urkundenprozesses gegen eine "ordentliche" Klage: Nach BGH[62] kann eine Widerklage auch in der Form des Urkundenprozesses gegen eine ordentliche Klage erhoben werden. Dieser prozessualen Befugnis steht nicht entgegen, dass in den Vorschriften über den Urkundenprozess nur die Klage und der Kläger angesprochen werden (§§ 593, 596, 597 ZPO), denn die Widerklage findet keine eigenständige Regelung in der ZPO.

[59] Vgl. zur vermächtnisweisen Zuwendung von Sparguthaben OLG Karlsruhe ZEV 2005, 396 = ZErb 2006, 57: Die vermächtnisweise Zuwendung eines Sparguthabens, von Bundesschatzbriefen oder Festgeldguthaben hat nicht notwendig zur Folge, dass der Vermächtnisnehmer auf das zum Zeitpunkt des Erbfalls noch vorhandene Guthaben bzw. dessen wirtschaftliche Äquivalente beschränkt ist (§ 2173 BGB).
[60] NJW-RR 2000, 456 = FamRZ 2000, 1051 = ZNotP 1999, 484 = NotBZ 1999, 257 = MittRhNotK 1999, 349 = ZEV 2000, 66 = MittBayNot 2000, 236 = DNotZ 2000, 471.
[61] OLG Rostock OLGR Rostock 2003, 171.
[62] BGHZ 149, 222 = NJW 2002, 751 = BB 2002, 274 = WM 2002, 459 = MDR 2002, 406 = ZIP 2002, 870.

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