Rz. 267

Ein Dienstwagen, der dem Mitarbeiter ausschließlich für dienstliche Zwecke zur Verfügung gestellt ist, kann jederzeit vom Arbeitgeber herausverlangt werden. Der Dienstwagen ist insoweit lediglich Arbeitsmittel (Var. 1). Anders verhält es sich mit Dienstwagen, für die die Parteien auch die Privatnutzung vereinbaren. In diesen Fällen hat der Mitarbeiter grds. Anspruch auf die private Nutzung des Dienstwagens bis zur rechtlichen Beendigung des Anstellungsverhältnisses, soweit nichts anderes vereinbart ist (Var. 2) → vgl. zum Dienstwagen auch § 17 Rdn 346 ff.).

1. Widerruf der privaten Nutzung

 

Rz. 268

In vielen Anstellungsverträgen ist daher ausdrücklich oder durch Bezugnahme auf die einschlägige Dienstwagenordnung der Firma oder durch Dienstwagenvertrag geregelt, dass mit Ausspruch der Freistellungserklärung durch die Firma der (auch) zur privaten Nutzung überlassene Dienstwagen unverzüglich zurückzugeben ist oder die Firma die Herausgabe des Dienstwagens verlangen kann. Dieser Widerrufsvorbehalt ist die einzige Möglichkeit zur flexiblen Gestaltung der Vertragsbedingungen beim Dienstwagen (vgl. Bayreuther, SAE 2011, 81). Der Widerruf der privaten Nutzung eines Dienstwagens ohne Nutzungsausfallentschädigung kann bei Berücksichtigung der nachfolgenden Voraussetzungen zulässig vereinbart werden (vgl. BAG v. 21.3.2012 – 5 AZR 651/10, NZA 2012, 616 = DB 2012, 1274).

2. Zumutbarkeit des Widerrufs (nur) bei konkret vereinbartem Sachgrund

 

Rz. 269

Die Vereinbarung eines Widerrufsvorbehaltes ist eine abweichende Regelung i.S.d. § 307 Abs. 3 BGB. Als einseitiges Leistungsbestimmungsrecht, das dem Arbeitgeber als Verwender das Recht einräumt, die Hauptleistungspflichten einzuschränken, zu verändern, auszugestalten oder zu modifizieren, unterliegt der Widerrufsvorbehalt einer Inhaltskontrolle. Da es sich bei der Zurverfügungstellung eines Firmenwagens auch für Privatfahrten um eine Vergütung in Form einer Sachleistung handelt, wäre der Arbeitgeber nach § 611 Abs. 1 letzter Hs. BGB grundsätzlich verpflichtet, während des gesamten Bestandes des Arbeitsverhältnisses dem Arbeitnehmer die Privatnutzung des Fahrzeuges zu ermöglichen. Diese Rechtslage wird durch das vertraglich vereinbarte Widerrufsrecht geändert. Dem Arbeitnehmer soll nur für den Fall des Nichtwiderrufes die Nutzung des Dienstwagens für private Zwecke gestattet sein. Ob diese ein Widerrufsrecht einräumende Regelung wirksam ist, beurteilt sich nach ihrer Zumutbarkeit gem. § 308 Nr. 4 BGB. Diese Norm hat als "lex specialis" ggü. der allgemeinen Inhaltskontrolle nach § 307 BGB Vorrang. Ferner sind nach § 310 Abs. 4 S. 2 BGB auch die im Arbeitsrecht geltenden Besonderheiten angemessen zu berücksichtigen (vgl. BAG v. 13.4.2010 – 9 AZR 113/09, NZA-RR 2010 = DB 2010, 1943). Danach kann eine Widerrufsklausel (nur) dann wirksam vereinbart werden, wenn der Grund für den Widerruf konkret angegeben ist. Es bedürfte ansonsten keines Sachgrundes, das Recht der privaten Nutzung jederzeit zu entziehen. In der Tendenz legt der 9. Senat des BAG einen strengen Maßstab an. Unangemessen weit formulierte Widerrufsgründe sind unwirksam. So ist eine Widerrufsklausel, die dem Arbeitgeber die grundsätzliche Möglichkeit der Dienstwagenentziehung einräumt, ohne dass die Tätigkeit, für deren Ausübung der Dienstwagen benötigt wird, entfallen ist und ohne dass der Arbeitgeber von einer vorhandenen kostengünstigeren Alternative zu der bisherigen Dienstwagengestellung Gebrauch macht, unwirksam (vgl. LAG Niedersachsen v. 28.3.2018 13 Sa 304/17, juris).

3. Anerkannter Sachgrund – Freistellung und 25 % Grundsatz

 

Rz. 270

So ist nicht jeder Grund, der wirtschaftliche Aspekte betrifft, ein anzuerkennender Sachgrund für den Entzug des Dienstwagens und der damit verbundenen privaten Nutzungsmöglichkeit (vgl. BAG v. 13.4.2010, NZA-RR 2010 = DB 2010, 1943). Der Widerruf der privaten Nutzung im Zusammenhang mit einer wirksamen Freistellung ist zumutbar (vgl. BAG v. 21.3.2012 – 5 AZR 651/10, NZA 2012, 616 = DB 2012, 1274), und kann damit wirksam geregelt werden. Maßstab für die Wirksamkeit insgesamt ist, dass der Arbeitgeber als Verwender die Bestimmung über den Widerrufsvorbehalt auf die Fälle beschränkt, in denen ein anzuerkennender Sachgrund daran besteht, die Privatnutzung einzustellen, und der Vorteil für die Privatnutzung 25 % der Gesamtvergütung nicht überschreitet (vgl. BAG v. 19.12.2006 – 9 AZR 294/06, NZA 2007, 809 = DB 2007, 1253), andernfalls wäre eine Änderungskündigung erforderlich (vgl. BAG v. 21.3.2012 – 5 AZR 651/10, ZA 2012, 616 = DB 2012, 1274). Neben der Inhaltskontrolle einer in Allgemeinen Geschäftsbedingungen enthaltenen Widerrufsklausel ist die Ausübungskontrolle im Einzelfall gem. § 315 Abs. 1 BGB zu beachten, denn die Erklärung des Widerrufs stellt eine Bestimmung der Leistung durch den Arbeitgeber nach § 315 Abs. 1 BGB dar. Der Widerruf muss im Einzelfall billigem Ermessen entsprechen (vgl. BAG v. 20.4.2011 – 5 AZR 191/10, NZA 2011, 796 = DB 2011, 1979). Dabei sind steuerliche Nachteile zu berücksichtigen, wenn beispielsweise der Arbeitnehmer den vollen Monat gem. § 6 Abs. 1 Nr. 4 EStG mit 1 % vom Listenpreis versteuern muss, den Pkw aber 2...

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