Rz. 41

Unberührt von dem gesetzlichen Formerfordernis des § 623 BGB sind gerichtliche Auflösungs- und Abfindungsvergleiche (Prozessvergleiche). Sie sind gem. §§ 126 Abs. 4, 127a BGB wirksam. Durch einen gerichtlichen Vergleich i.S.v. § 278 Abs. 6 S. 1, 2. Alt. ZPO wird die für Aufhebungsverträge und Befristungsabreden erforderliche Schriftform (§ 623 BGB, § 14 Abs. 4 TzBfG) gewahrt (vgl. BAG v. 23.11.2006 – 6 AZR 394/06, NZA 2007, 466 = NJW 2007, 1831).

 

Hinweis

1. Der Prozessvergleich hat eine Doppelnatur.
2. Er enthält eine Prozesshandlung und zugleich beruht er auch auf einem privatrechtlichen Vertrag, für den § 779 BGB und alle übrigen Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuchs gelten (vgl. LAG Köln v. 7.7.2021 – 11 Sa 689/18, Rn 20).
 

Rz. 42

Soweit ein außergerichtlich vereinbarter Vergleich noch gerichtlich protokolliert werden soll, und es eine – von beiden Seiten dem Schriftformerfordernis des § 623 BGB entsprechende – unterzeichnete Vertragsurkunde nicht gibt, ist i.d.R. anzunehmen, dass der Vergleich erst mit der Protokollierung abgeschlossen ist (vgl. LAG Schleswig-Holstein v. 13.7.2017 – 5 Sa 252/16; BAG v. 23 11. 2006 – 6 AZR 394/06). Dies folgt aus § 154 Abs. 2 BGB, wonach ein Vertrag im Zweifel erst geschlossen ist, wenn die verabredete Beurkundung erfolgt ist. Grds. hat danach eine Vergleichsprotokollierung konstitutive Wirkung. Die Beweislast dafür, dass die vereinbarte Beurkundung nur Beweiszwecken dienen sollte, trifft denjenigen, der aus der formlosen Vereinbarung Rechte herleiten will (vgl. BAG v. 13.7.2017 – 5 Sa 252/16; BAG v. 16.1.1997 – 2 AZR 35/96, NZA 1997, 789 = EzA § 779 BGB Nr. 2.

 

Rz. 43

 

Praxistipp

1. Allein die Mitteilung der Parteien an das Prozessgericht, sie hätten sich auf einen bestimmten Vergleich geeinigt, und die wechselseitige Einreichung eines wortidentischen Vergleichstextes bei Gericht, führt weder zur Beendigung des Rechtsstreits noch zu einem anspruchsbegründenden Prozessvergleich gemäß § 278 Abs. 6 ZPO.
2. Erst mit der gerichtlichen Beschlussfassung kommt ein verfahrensbeendender Prozessvergleich zustande.
3. Das Gericht hat auch beim Zustandekommen eines vollstreckungsfähigen Prozessvergleichs gemäß § 278 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 ZPO seine inhaltliche Mitverantwortung, z.B. wegen §§ 134,138 BGB, und seine alleinige Feststellungsbefugnis behalten.
4. Das gleiche gilt auch im Hinblick auf einen zutage getretenen offenen oder verdeckten Einigungsmangel, §§ 154,155 BGB (vgl. LAG Schleswig- Holstein v. 13.7.2017 – 5 Sa 252/16).
 

Rz. 44

 

Beispiel

Nach der zugegangenen Kündigung handeln die Prozessbevollmächtigten außergerichtlich einen Vergleich mit einer Abfindung aus. Gleichzeitig wird vereinbart, das laufende Kündigungsschutzverfahren im nächsten Gerichtstermin durch Protokollierung des Vergleiches zu beenden. Kommt es nicht zu der Protokollierung des Vergleiches, kann grds. keine der Parteien Rechte aus der außergerichtlichen Vereinbarung herleiten.

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