Rz. 21

Ergibt sich aufgrund der Belegenheit von Vermögen oder eines Wohnsitzes bzw. Aufenthalts im Ausland (hierbei muss es sich nicht unbedingt um den alleinigen Wohnsitz bzw. Aufenthalt handeln) die Möglichkeit, dass die ausländischen Gerichte oder Behörden für die Entscheidung über die Erbfolge zuständig sein werden, wäre der deutsche Erblasser unvollständig beraten, wenn ihm unter Hinweis auf die Geltung deutschen Erbrechts gem. Art. 21 bzw. 22 EuErbVO eine erbrechtliche Gestaltung empfohlen wird, die ausschließlich nach deutschem Recht entwickelt worden ist. Es könnte im Ausland ein anderes Recht angewandt werden, nach welchem das Testament nicht die gewünschten Wirkungen entfalten kann oder gar insgesamt als nichtig beurteilt wird (international hinkendes Testament).

 

Rz. 22

Muster 26.5: Hinweis auf mögliche Geltung ausländischen Rechts

 

Muster 26.5: Hinweis auf mögliche Geltung ausländischen Rechts

Der beurkundende Notar hat darauf hingewiesen, dass aus Sicht der Gerichte am ausländischen Wohnsitz des Testators [am Belegenheitsort der Immobilie in] möglicherweise nicht das deutsche Erbrecht anzuwenden ist und daher Wirksamkeit und Wirkungen der nachstehenden Verfügungen anders beurteilt werden würden. Er empfiehlt daher, die hier beurkundete Verfügung dort durch einen rechtlichen Fachmann prüfen zu lassen.

 

Rz. 23

Eine pauschale Empfehlung, die Wirksamkeit der in Deutschland entworfenen und errichteten Verfügung sicherheitshalber in jedem ausländischen Staat nochmals prüfen lassen, dürfte in der Praxis die meisten Mandanten irritieren. Der hiesige Berater sollte daher zumindest feststellen, ob nicht aus Sicht der betroffenen ausländischen Staaten ohnehin deutsches Erbrecht zur Anwendung kommen würde. Damit könnte man zumindest schon einmal die unproblematischen Fälle von denen abschichten, in denen genauer geprüft werden muss. Einschlägige Übersichten zur Anknüpfung des Erbstatuts in ausländischen Staaten finden sich mittlerweile an vielen Stellen.[15]

 

Rz. 24

Glücklicherweise ist die Zahl der Anknüpfungspunkte im internationalen Erbrecht relativ begrenzt:

Die Anknüpfung an die Staatsangehörigkeit ist aufgrund der Erbrechtsverordnung in Europa nicht mehr weit verbreitet, wohl aber noch in den arabischen Ländern.
Aber selbst bei Anknüpfung an die Staatsangehörigkeit kann sich bei einem Mehrstaater aus der unterschiedlichen Auswahl der für die Anknüpfung maßgeblichen Staatsangehörigkeit ein Entscheidungsdissens ergeben.
Die Belegenheit von Nachlassgegenständen spielt bei Immobilien verbreitet eine Rolle. Bei beweglichen Gegenständen wird allenfalls in einer Minderheit von Staaten – vor allem in Lateinamerika – an die Belegenheit angeknüpft. Zudem ergeben sich insbesondere in den common law-Jurisdiktionen aus dem Nachlassverfahrensrecht derart weitgreifende Besonderheiten, dass hier auch bei beweglichem Vermögen das Belegenheitsrecht zahlreiche Aspekte (funktionelle Nachlassspaltung) der Erbfolge regelt (vgl. die Länderbeispiele England und USA unten Rdn 182, 400).
Wohnsitz und gewöhnlicher Aufenthalt finden als Anknüpfungspunkte im Erbrecht zunehmend Verbreitung. Dabei ist zu berücksichtigen, dass die Definition des Wohnsitzes/domicile insb. in Bezug auf den subjektiven Tatbestand stark divergieren kann, so dass u.U. aus ausländischer Sicht noch ein Wohnsitz fortbesteht, wo dieser aus deutscher Sicht längst aufgegeben worden ist (vgl. insoweit insb. das domicile des US-Rechts, vgl. unten Rdn 390).
Erbrechtliche Auswirkungen kann auch ein ausländischer Güterstand haben.[16]

Der sich dadurch ggf. ergebende Dissens bei der Ermittlung des Erbstatuts lässt sich durch mehrere Methoden vermeiden oder in seinen Auswirkungen neutralisieren (siehe ausführlich unten Rdn 105 ff.).

[15] Bamberger/Roth/St. Lorenz, Art. 25 EGBGB Rn 83; Süß, ZEV 2000, 486; ders., in: Bonefeld/Wachter, Fachanwalt für Erbrecht, § 26 Rn 129.
[16] Süß/Süß, Erbrecht in Europa, § 4 Rn 132.

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