Rz. 105

Auch wenn nach der Erbrechtsverordnung die Erbfolge grundsätzlich einem einzigen Erbrecht unterliegt (Grundsatz der Nachlasseinheit), so kann es dennoch weiterhin in bestimmten Fällen zur Nachlassspaltung kommen, (z.B. aufgrund der bilateralen Abkommen mit der Türkei und der damaligen Sowjetunion, aufgrund einer gespaltenen Rück- bzw. Weiterverweisung bei gewöhnlichem Aufenthalt in einem Drittstaat oder aufgrund einer fortwirkenden Rechtswahl gem. Art. 25 Abs. 2 EGBGB a.F. etc.). Auf diese Weise kann es passieren, dass die Vererbung einzelner Teile des Nachlasses nach verschiedenen Rechten zu beurteilen ist (Nachlassspaltung).

 

Rz. 106

Die Nachlassspaltung führt dazu, dass die sich bildenden Spaltnachlässe völlig unabhängig voneinander zu behandeln sind. Das kann u.U. rein quantitative Folgen haben, wenn so in Bezug auf einzelne Nachlassteile die Befugnisse des Testamentsvollstreckers eingeschränkt oder die Pflichtteilsrechte enterbter Verwandter höher sind. Insbesondere bei auf den gesamten Nachlass bezogenen Nachlassplanungen kann dies aber auch zu erratischen Effekten führen, die die Nachlassplanung insgesamt pervertieren:

 

Rz. 107

So kann z.B. ein Testament in Bezug auf einen Nachlassteil nichtig sein – z.B. weil nur das hierfür maßgebliche Recht die gemeinschaftliche Errichtung untersagt. Für diesen Nachlassteil würde dann gesetzliche Erbfolge eintreten. Hat z.B. der Erblasser diesen Nachlassteil einer Person als Kompensation dafür zugewandt, dass sie von den übrigen Nachlassteilen ausgeschlossen ist, so bliebe sie wegen der Wirksamkeit des Testaments in Bezug auf diese Nachlassteile weiterhin ausgeschlossen, obwohl die Kompensation nun erheblich geschmälert wird (gesetzliche Erbquote statt Alleinerbrecht) oder gar vollständig entfällt.
Auch dann, wenn das für den übrigen Nachlass geltende Erbstatut diese Teilnichtigkeit im Rahmen der Testamentsauslegung oder auf anderem Wege auf materiellrechtlicher Ebene berücksichtigt, so ergibt sich hieraus noch nicht unbedingt eine befriedigende Lösung des Probleme, denn möglicherweise ist dann die Folge, dass auch für den übrigen Nachlass gesetzliche Erbfolge (mit den nach jenem Recht vorgesehenen gesetzlichen Quoten) eintritt.
Im Fall der Zuweisung einzelner Spaltnachlässe an jeweils einen einzigen Erben könnten die von einem Spaltnachlass ausgeschlossenen Angehörigen gegen den Begünstigten Pflichtteilsrechte geltend machen. Dabei kann dann wegen der auf den Spaltnachlass beschränkten "isolierten" Beurteilung nicht berücksichtigt werden, dass diese Angehörigen durch Zuwendungen aus den anderen Nachlassteilen – auf den Gesamtnachlass bezogen – ihren Pflichtteil schon erhalten haben.
Anders als bei den Nachlassaktiva erfolgt bei den Nachlassverbindlichkeiten grundsätzlich keine Zuordnung zu einem bestimmten Teilnachlass. Vielmehr haften alle Nachlassteile grundsätzlich für sämtliche Verbindlichkeiten des Erblassers.[65] Werden die Gläubiger – wie üblich – aus dem im Wohnsitzstaat des Erblassers befindlichen Nachlass befriedigt, so erhalten die Erben der ausländischen Spaltnachlässe diese ungeschmälert. Das mag dazu führen, dass die Beteiligungsverhältnisse der Erben am Nachlasswert sich im Laufe der Nachlassabwicklung entgegen der Absicht des Erblassers verschieben.
Schwierig, unklar und umstritten sind auch die Anrechnung und Ausgleichung lebzeitiger Zuwendungen bei Nachlassspaltung. Folglich kann es auch hier zu unbeabsichtigten Wertverschiebungen kommen, wenn einzelne lebzeitige Zuwendungen in keinem Nachlassteil oder in mehreren Nachlassteilen zugleich berücksichtigt werden.
[65] Inwieweit bestimmte Verbindlichkeiten ausschließlich einem bestimmten Spaltnachlass zugeordnet werden können, ist umstritten – vgl. z.B. den Versuch von Staudinger/Dörner, Art. 25 EGBGB Rn 753.

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