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Die Kommission hat durch verschiedene Gruppenfreistellungsverordnungen (GVO) näher definiert, welche Vereinbarungen kartellrechtlicher Art generell vom Kartellverbot nach Art. 101 Abs. 1 AEUV freigestellt sind. Nach Art. 288 AEUV sind Verordnungen in den Mitgliedstaaten unmittelbar geltendes Recht; die deutschen Kartellbehörden haben die GVO deshalb bei Beeinträchtigung des zwischenstaatlichen Handels unmittelbar anzuwenden (Art. 3 Abs. 1 VO 1/2003, § 22 Abs. 1 GWB) und bei fehlender Beeinträchtigung mittelbar aufgrund der dynamischen Verweisung in das deutsche Recht (§ 2 Abs. 2 GWB).
Vereinbarungen, die die Tatbestandsvoraussetzungen für die positive Anwendung einer GVO erfüllen, sind im System der Legalausnahme ohne weiteres freigestellt. Vertragsklauseln, die als sog. Kernbeschränkungen in einer GVO aufgeführt sind (z.B. Preisabsprachen oder Markt- und Kundenaufteilungen), sind nach der GVO nicht freigestellt und tragen die Vermutung der fehlenden Freistellungsfähigkeit in sich.
Art. 29 Abs. 2 VO 1/2003 ermächtigt die nationalen Kartellbehörden, den Rechtsvorteil einer GVO zu entziehen, wenn im Einzelfall die Anwendung der betreffenden GVO zu Ergebnissen führt, die mit Art. 101 Abs. 3 AEUV unvereinbar sind. § 32d GWB ermächtigt die deutschen Kartellbehörden zu einem derartigen Entzug der Freistellung auch bei Fällen unterhalb der Zwischenstaatlichkeitsklausel.
Für horizontale Vereinbarungen sind von Bedeutung die Spezialisierungs-GVO,[50] die GVO über Forschung und Entwicklung[51] und die GVO über Technologietransfervereinbarungen.[52] Sektoral spielt z.B. die Versicherungs-GVO[53] für horizontale Beschränkungen eine Rolle.
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