Rz. 10

Zu berücksichtigen ist, dass andere Gesetze auf die Regelungen des SGB XII hinsichtlich des Vermögensbegriffs und zum Teil auch der Vermögensschontatbestände verweisen, z.B.

(1) § 1880 Abs. 2 BGB und § 16 VBVG hinsichtlich der Einsatzpflicht des Vermögens durch den Betreuten (der bis 31.12.2022 in § 1836c BGB vorgesehene Einsatz von Einkommen des Mündels ist insoweit entfallen) sowie
(2) § 115 ZPO, § 76 FamFG und andere Vorschriften zu Prozesskostenhilferegelungen für die Gewährung von Prozess- oder Verfahrenskostenhilfe, so bspw. auch in § 1 Abs. 2 BerHG
(3) § 25f Abs. 1 S. 6 BVG verweist hinsichtlich der Vermögensfreistellung auf §§ 90 Abs. 2 Nr. 1–7 sowie 9 und 10 SGB XII, während in Bezug auf die selbstgenutzte Immobilie (abweichend von § 90 Abs. 2 Nr. 8 SGB XII) § 25f Abs. 3 BVG eine Sonderregelung enthält.
 

Rz. 11

Den Grundsatz enthält § 90 Abs. 1 SGB XII: Einzusetzen ist das gesamte verwertbare Vermögen der Einsatz- und Bedarfsgemeinschaft. Aus Rechtsgründen unverwertbar sind insbesondere (1) Gegenstände, die auch durch private Drittgläubiger gem. §§ 811, 812 ZPO nicht gepfändet werden könnten, (2) nicht übertragbare Gegenstände (wie etwa Wohnungsrechte ohne Fremdausübungsbefugnis gem. § 1092 Abs. 1 S. 2 BGB), (3) Gegenstände, für die dem Vermögensträger die Verfügungsbefugnis fehlt, z.B. Nachlassgegenstände, die der Nacherbfolge (vgl. § 2115 BGB) bzw. der Dauertestamentsvollstreckung (§ 2214 BGB) unterliegen. Daher bilden diese beiden Institute die Grundbausteine des Behinderten-, Sozialhilfe- und Bedürftigentestamentes (vgl. § 26 in diesem Buch); durch die Vor- und Nacherbfolge lässt sich darüber hinaus der Verwertungszugriff auf das zu Lebzeiten des Hilfeempfängers aus Rechtsgründen unverwertbare Vermögen auch nach dessen Tod abwehren, da § 102 SGB XII (Erbenregress, vgl. Rdn 30) für den Nacherben nicht gilt, sondern nur für den Eigenerben des hilfeempfangenden Vorerben.

 

Rz. 12

Erhält der Leistungsberechtigte eine Erbschaft (wohl auch ein Vermächtnis),[7] handelt es sich, wie seit 2023 in § 82 Abs. 1 S. 2 Nr. 9 SGB XII (ebenso in § 11a Abs. 1 Nr. 7 SGB II) – abweichend von früherer Rspr.[8] – niedergelegt, um Vermögen, nicht um Einkommen. Entscheidend für deren Verschonung (vgl. Rdn 11, 13) ist also die gegenständliche Zusammensetzung des Nachlasses. Ungeklärt ist die in diesem Zusammenhang bedeutsame Frage, ob und ggf. innerhalb welchen Zeitraums durch Eigenbezug der zuvor vermieteten oder leerstehenden bzw. vom Verstorbenen bewohnten Immobilie die Privilegierung des selbstgenutzten angemessenen Familienheims in Anspruch genommen werden kann bzw. darüber hinaus durch erstmalige Anschaffung einer solchen Immobilie aus liquiden Nachlassmitteln die nachträgliche Schonvermögenseigenschaft sich durchsetzt. Die Rspr. hat für den Fall des nahtlosen Wechsels von einer Immobilie in eine andere Immobilie mit Schonvermögenscharakter (also der fortlaufenden Deckung des Wohnbedürfnisses unter Austausch des Objekts) eine solche Begünstigung bejaht;[9] auch die Literatur spricht sich insoweit für eine großzügige Handhabung aus.[10] Vergleichbar ist die ebenfalls nicht entschiedene Fragestellung, inwieweit durch rasche Verkleinerung im Rahmen der Surrogations-Anschaffung des übergroßen geerbten Familienheims durch Anschaffung eines kleineren Nachfolgeobjekts der Schonvermögenscharakter von Anfang an als gegeben gilt.[11]

 

Rz. 13

Darüber hinaus sind (bis auf die unbillige Härte, § 90 Abs. 3 SGB XII) abschließend und enumerativ in § 90 Abs. 2 SGB XII diejenigen Vermögensgegenstände geregelt, die als sog. Schonvermögen gelten und deren Einsatz oder auch nur Beleihung nicht Voraussetzung für die Gewährung von Sozialleistungen nach dem SGB XII sind:

Vermögen, das aus öffentlichen Mitteln zum Aufbau oder zur Sicherung einer Lebensgrundlage oder zur Gründung eines Hausstands erbracht wird;
Kapital einschließlich seiner Erträge, das der zusätzlichen Altersvorsorge i.S.d. § 10a EStG oder §§ 79 ff. EStG dient und dessen Ansammlung staatlich gefördert wurde (Riester-Rente);
sonstiges Vermögen, solange es nachweislich zur baldigen Beschaffung oder Erhaltung eines Hausgrundstücks im Sinne eines unter das Schonvermögen fallenden Hausgrundstücks bestimmt ist und dieses zu Wohnzwecken behinderter oder pflegebedürftiger Menschen dient oder dienen soll und dieser Zweck durch den Einsatz oder die Verwertung des Vermögens gefährdet würde;
angemessener Hausrat entsprechend den bisherigen Lebensverhältnissen der nachfragenden Person;
Gegenstände, die zur Aufnahme oder Fortsetzung der Berufsausbildung oder der Erwerbstätigkeit unentbehrlich sind;
Familien- und Erbstücke, deren Veräußerung für die nachfragende Person oder ihre Familie eine besondere Härte bedeuten würde;
Gegenstände, die zur Befriedigung geistiger, insbesondere wissenschaftlicher oder künstlerischer Bedürfnisse dienen und deren Besitz nicht Luxus ist;
angemessenes Hausgrundstück bzw. Eigentumswohnung, das/die von der nachfragenden Person oder einer ander...

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