Rz. 9

Selbst wenn es sich um einen länger andauernden, gleichartigen Verstoß handelt, ist zu prüfen, ob nicht doch nur eine einzige Tat vorliegt. Dies gilt vor allem für auf der Autobahn begangene Geschwindigkeitsüberschreitungen von Lkw-Fahrern, die trotz längerer Dauer eine einzige Tat darstellen können, wenn nur ein Zusammenhang zwischen den einzelnen Verstößen besteht (BayObLG zfs 1993, 176; OLG Hamm zfs 1994, 187; OLG Düsseldorf DAR 1993, 480; AG Marl zfs 1994, 30).

 

Rz. 10

Es liegt dann eine sog. "Dauerordnungswidrigkeit" vor, die selbst im Falle einer fast fünf Stunden andauernden Geschwindigkeitsüberschreitung als eine einzige Tat behandelt wird (OLG Düsseldorf NZV 1994, 42): "Mehrere Geschwindigkeitsüberschreitungen sind eine Tat im Sinne einer natürlichen Handlungseinheit, wenn der Betroffene kontinuierlich so schnell fährt, wie dies die Verkehrsverhältnisse zulassen" (a.A. OLG Köln NZV 1994, 292; OLG Jena DAR 2005, 44). Voraussetzung ist jedoch, dass keine größeren, nicht verkehrsbedingten Fahrtunterbrechungen vorlagen (BayObLG NZV 1998, 515; OLG Düsseldorf NZV 2001, 273; BGH DAR 2004, 229).""

 

Rz. 11

Anders ist dies zu beurteilen, wenn der Täter wiederholt ein nicht versichertes Fahrzeug fährt. Dann liegt deshalb keine Dauerstraftat vor, weil der Täter vor jeder Fahrt von neuem einen Entschluss fassen muss. Die jeweiligen Fahrten stellen daher in Tatmehrheit begangene Einzelstraftaten dar (OLG Oldenburg NZV 1996, 83). Solche Fälle können jetzt auch nicht mehr über das Institut des Fortsetzungszusammenhangs zusammengefasst werden, da die Rechtsprechung dies zumindest für das Verkehrsrecht nicht mehr zulässt (BGH StV 1994, 396, siehe auch Rdn 21 ff.).

 

Rz. 12

 

Achtung

Werden mehrere in engem zeitlichen Zusammenhang begangene und anhand eines Schaublatts bzw. der Fahrerkarte ermittelte Überschreitungen der zulässigen Geschwindigkeit vorgeworfen (hier 13 Verstöße), muss das Gericht nähere Ausführungen dazu machen, warum es, trotz des engen zeitlichen Zusammenhangs, Tatmehrheit angenommen hat (OLG Düsseldorf NZV 1998, 167).

 

Rz. 13

Diese zu Verstößen von Lkw-Fahrern entwickelte Rechtsprechung ist indessen nicht ohne weiteres auf Verstöße anderer Verkehrsteilnehmer zu übertragen. So ist z.B. spätestens dann, wenn zwei Verstöße eines Pkw-Fahrers in einem zeitlichen Abstand von 75 Minuten und einer Entfernung von 130 km zueinander liegen, von Tatmehrheit auszugehen (Thüringer OLG zfs 1999, 494), zumal ja in der dazwischen liegenden Zeit der Verstoß selbst nicht andauerte. Sehr viel enger dagegen das Brandenburgische OLG (DAR 2005, 521) selbst im Falle zweier lediglich im Minutenabstand begangener Verstöße.

 

Achtung: Lenk- oder Ruhezeitverstöße

Der BGH (NJW 2013, 3668; zfs 2014, 50) hat die Rechtsprechung der Oberlandesgerichte, die Tages- und Wochenverstöße (OLG Frankfurt NZV 2011, 99) sowie die innerhalb einer Doppelwoche begangenen selbstständigen Tages- oder Wochenverstöße als Tateinheit eingeordnet haben (OLG Hamm DAR 2012, 401), nicht gebilligt.

Nach seiner Auffassung sind Lenk- oder Ruhezeitverstöße nicht allein deshalb als eine prozessuale Tat anzusehen, weil sie innerhalb eines Kontroll- oder Überprüfungszeitraums begangen worden sind.

Ob sich einzelne Verstöße überschneiden und durch dieselbe Handlung oder Unterlassung - also tateinheitlich - begangen wurden oder ob eine prozessuale Tat deshalb vorliegt, weil einzelne materiell-rechtlich selbstständige Handlungen nicht ohne Würdigung weiterer Teile des geschichtlichen Vorgangs bewertet werden können (BGH NJW 2005, 836), ist vielmehr eine Frage des Einzelfalls, die nach allgemeinen Grundsätzen zu beantworten ist.[2]

[2] Siehe hierzu auch Kröpil, DAR 2014, 423.

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