Rz. 136

Nach Ziff. 4.3 Abs. 2 S. 1 tragen die in Anspruch genommenen versicherten Personen in jedem Versicherungsfall den im D&O-Versicherungsschein aufgeführten Betrag selbst (sog. Selbstbehalt). Zum Selbstbehalt hatte ich bereits oben (siehe Rdn 6 und Rdn 33 f.) Einzelheiten angeführt, auf die insoweit verwiesen werden kann. Im Hinblick auf die durch das VorstAG eingeführte Regelung in § 93 Abs. 2 S. 3 AktG, hat sich der Gesamtverband entschlossen, unverzüglich zu reagieren. Zur Erinnerung, § 93 Abs. 2 S. 3 AktG lautet wie folgt:

Zitat

"Schließt die Gesellschaft eine Versicherung zur Absicherung eines Vorstandsmitglieds gegen Risiken aus dessen beruflicher Tätigkeit für die Gesellschaft ab, ist ein Selbstbehalt von mindestens 10 Prozent des Schadens bis mindestens zur Höhe des eineinhalbfachen der festen jährlichen Vergütung des Vorstandsmitglieds vorzusehen".

Der Gesamtverband hat entsprechend reagiert und gegenüber dem älteren Modell aus dem Jahre 2008 in Ziff. 4.3 dann – aufgrund dieser Gesetzesänderung nahezu zwingend – die Absätze 3, 4 und 5 ergänzt (vgl. Ziff. 4.3 Abs. 3, 4 und 5 des Modells 2010).

Auch ist eine Reaktion des GDV insofern erfolgt, als er zugleich eine "persönliche Selbstbehaltsversicherung" und damit einen eigenständigen persönlichen Versicherungsvertrag des Vorstandsmitglieds als "Allgemeine Versicherungsbedingungen für die persönliche Absicherung des Selbstbehalts nach dem VorstAG" (Stand März 2010) veröffentlicht hat (Musterbedingungen, zu finden auf der beiliegenden CD-ROM).

Soweit die versicherten Personen – so heißt es in Ziff. 4.3 Abs. 3 des Modells von 2013 – als Vorstandsmitglieder von Gesellschaften in Anspruch genommen werden, auf die das deutsche Aktiengesetz (AktG) Anwendung findet, gilt Folgendes:

Zitat

"Sofern kein höherer Selbstbehalt vereinbart ist, tragen die versicherten Personen im Versicherungsfall einen Selbstbehalt von … % des Schadens bis zur Höhe des …-fachen der festen jährlichen Vergütung des Vorstandsmitglieds."

Diese Selbstbehaltsregelung findet keine Anwendung auf Ansprüche wegen Pflichtverletzungen, die vor dem 5.8.2009 begangen worden sind oder solange und soweit die versicherte Gesellschaft gegenüber dem Vorstandsmitgliedern aus einer vor dem 5.8.2009 geschlossenen Vereinbarung zur Gewährung einer D&O-Versicherung ohne Selbstbehalt verpflichtet ist.

Auf Abwehrkosten findet dieser Selbstbehalt keine Anwendung.“

 

Rz. 137

Zum Selbstbehalt hatte ich bereits aufgeführt (siehe Rdn 5), dass bei Vereinbarung von Selbstbehalten eine Verhaltenssteuerung der versicherten Personen, die ja dann persönlich in die Haftung geraten, bewirkt werden könne. Durch Einführung des "Zwangspflichtselbstbehaltes" wollte der Gesetzgeber gerade dieses Ziel auch erreichen.[391] Ob dies gelingen wird, ist schwer vorherzusagen.[392] Demgegenüber standen und stehen aber auch die Forderungen des DCGK, dass eben für den Fall, dass eine D&O-Versicherung abgeschlossen wird, ein angemessener Selbstbehalt vereinbart werden sollte; dies bereits ab den Fassungen von 2002.

Bis zum VorstAG lag die Vereinbarung eines persönlichen – und zwar angemessenen – Selbstbehaltes doch sehr niedrig, wenn auch nicht bei "null".[393] Vereinbart waren Selbstbehalte in der Praxis zwischen 25 % der Jahresfestbezüge der Vorstands- und Geschäftsführungsmitglieder, für einen aktienrechtlichen Vorstandsvorsitzenden z.B. 100.000 EUR oder auch mehr, für einfache Vorstands- oder Geschäftsführungsmitglieder auch 50.000 EUR (oder etwas weniger).[394]

Ob und inwieweit bei einer etwaigen Erhöhung – und sei diese durch das VorstAG bewirkt – nunmehr nicht doch tatsächlich der Sorgfaltsmaßstab – zumindest generaliter betrachtet – steigen wird, bleibt in der Tat abzuwarten. Richtig ist, dass ein empirischer Nachweis, dass ein (höherer oder hoher) Selbstbehalt tatsächlich das Maß der individuellen Sorgfalt erhöht, nicht besteht[395] und auch wohl nur schwierig zu ermitteln sein wird. Zumindest wird die Verhaltenssteuerung eine "Mitursächlichkeit" sein und daher die Einführung des VorstAG nicht alleine der Öffentlichkeitsarbeit der Bundesregierung gedient haben.[396]

 

Rz. 138

Bevor ich im Nachfolgenden dann auf die Ergänzungen durch die "Persönliche Selbstbehaltsversicherung" in den Musterbedingungen des GDV von März 2010 und die ergänzenden Absätze in Ziff. 4.3 Abs. 3 ff. im Modell (von März 2010/Mai 2011/Mai 2013) besonders eingehe, möchte ich einige zusätzliche Hinweise geben im Zusammenhang mit der Ergänzung in § 93 Abs. 2 S. 3 AktG. Die Auseinandersetzung mit der Rechtsnatur dieser Regelung mag ein besseres Verständnis – auch zu den deckungsrechtlichen Angeboten – geben. Rechtsprechung zu § 93 Abs. 2 S. 3 AktG liegt (noch) nicht vor. Nach einer Meinung in der Literatur handelt es sich bei § 93 Abs. 2 S. 3 AktG nicht um ein gesetzliches Verbot im i.S.v. § 134 BGB, vielmehr um eine Gebotsnorm, die insbesondere das gesellschaftsrechtliche Innenverhältnis betreffe oder aber eine versicherungsvertragliche Gebotsnorm im Verhältnis zwischen Ges...

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