Rz. 5

Zunächst hat man in Deutschland – wie soeben erwähnt – kein echtes Bedürfnis zur Absicherung der Haftpflichtrisiken von Managern – nicht einmal als Schutz vor der Existenzvernichtung[14] – gesehen, sogar rechtspolitisch gegen die Absicherung durch eine D&O-Versicherung vorgebracht, dass eine derartige Versicherungslösung die verhaltenssteuernde Wirkung des "aktienrechtlichen Verantwortlichkeitsrechts" vermindern würde. Letzteres ist nicht gänzlich falsch. Dennoch haben inzwischen Versicherer – im Umkehrschluss – versucht, hier gegenzusteuern, indem sie durch Prämienanpassungen, Haftungsausschlüsse und ähnlichem dem theoretischen Vorwurf entgegenwirken. Ebenso soll die mit dem VorstAG (Gesetz zur Angemessenheit der Vorstandsvergütung) eingeführte Regelung des § 93 Abs. 2 S. 3 AktG, die einen zwingenden Selbstbehalt von mindestens 10 % des Schadens vorsieht, verhaltenssteuernd wirken.[15] Insofern kann man heute davon sprechen, dass Versicherungen möglicherweise sogar risikoreduzierend auf die Gesellschaft wirken.[16] Unbestreitbar verbessert eine D&O-Versicherung jedenfalls den vermögensrechtlichen Schutz der Gläubiger, weil sie die tatsächlichen Befriedigungschancen gegenüber den Organmitgliedern erhöht, insbesondere dann, wenn Schadenssummen astronomische Höhen erreichen. Das Prämienvolumen soll Schätzungen zufolge in Deutschland von knapp 36 Mio. EUR in den Jahren zwischen 1998 und 2000[17] auf mehr als 300 Mio. EUR gestiegen sein, was die Nachfrage nach D&O-Versicherungen in Deutschland im Jahr 2006[18] plastisch verdeutlicht. Der Gesetzgeber und die Judikatur haben dazu beigetragen, dass Schadenersatzansprüche gegen Unternehmensleiter heute leichter und umfassender geltend gemacht werden können, was den Bedarf an entsprechenden Absicherungen geprägt hat.[19] Daran hat auch die 2008 nach außen zutage getretene Banken- und Finanzkrise zunächst einmal nichts geändert. Im Gegenteil: Schnell wurde der Ruf nach einer Inanspruchnahme der – wie auch immer – "Verantwortlichen" noch lauter.[20] Im Einzelnen:

[14] Hoffmann, NJW 2012, 1393, 1396.
[15] BT-Drucks 16/13422, S. 17; vgl. dazu aber Thüsing/Traut, NZA 2010, 140 f.; Kerst, WM 2010, 594; van Kann, NZG 2009, 1010. Die Anzahl der Selbstbehaltspolicen wurde im September 2010 auf rund 3.000 geschätzt, Gädtke/Wax, AG 2010, 851 Fn 3.
[16] Ebenso Ruffner, ZSR 119 (2000), 195, 227 f.
[17] Vgl. für das Jahr 1998, ZfV 1998, 576; für das Jahr 2000, Lattwein/Krüger, NVersZ 2000, 365; Schilling, VW 2000, 788.
[18] Lier, VW 2006, 1531: 300–500 Mio. EUR; Ihlas, VW 2004, 395: 200–300 Mio. EUR; vgl. dazu auch Oblrich, 5 Fn 1 bis 3 m.w.N.; vgl. auch Fn 20; Klinkhammer, VP 2008, 82, 84: in Richtung 400 Mio. EUR; Langheid/Wandt/Ihlas, D&O, Rn 7: bis 500 Mio. EUR.
[19] Dazu jüngst Schillinger, VersR 2005, 1484; Olbrich, 1; Heitmann, VW 1999, 1076; hier VW 1999, 1362.
[20] Lenz, Wirtschaftskrise – Bankvorstände und D&O-Versicherung, in: FS Graf von Westphalen, 2010, 469 ff.; Balthasar/Hamelmann, WM 2010, 589 ff.

1. Wichtige Gesetze

 

Rz. 6

Verwiesen werden soll an dieser Stelle zunächst auf die Regelung des § 147 AktG (Erleichterung der Klageerhebung gegen Organe der AG) sowie die Einführung bestimmter neuerer Rechtspflichten für Vorstände und Aufsichtsräte durch das "Gesetz zur Kontrolle und Transparenz im Unternehmensbereich" vom 27.4.1998,[21] das Vierte Finanzmarktförderungsgesetz vom 1.7.2002[22] und auf das "Gesetz zur weiteren Reform des Aktien- und Bilanzrechts, zur Transparenz und Publizität" vom 19.7.2002.[23] Am 1.11.2005 traten dann das Gesetz zur Unternehmensintegrität und Modernisierung des Anfechtungsrechts (UMAG) sowie das Kapitalanleger-Musterverfahrensgesetz (KapMuG) in Kraft,[24] zunächst befristet, das dann jedoch bis zum 31.10.2020 verlängert wurde.[25] Sie folgten dem bereits am 11.5.2005 in Kraft getretenen Gesetz über die Offenlegung der Vorstandsvergütung (VorstOG). Seit 2008 ist zudem das Gesetz zur Modernisierung des GmbH-Rechts und zur Bekämpfung von Missbräuchen (MoMiG) in Kraft.[26] Neben Gründervorteilen werden durch dieses Gesetz Missbräuche in der Krise und Insolvenz bekämpft und Geschäftsführer stärker in die Pflicht genommen. Das Gesetz zur Umsetzung der Aktionärsrechterichtlinie (ARUG) vom 30.7.2009 ist demgegenüber ein reines Änderungsgesetz, mit dem das deutsche Aktienrecht an zwei EU-Richtlinien (Bekämpfung missbräuchlicher Anfechtungsklagen und die Verbesserung der Präsenz in der Hauptversammlung, etc.) angepasst wurde.[27] Eine Reihe von Neuerungen haben auch das "Gesetz zur Angemessenheit von Vorstandsvergütungen" (VorstAG)[28] mit einer Einführung eines obligatorischen Selbstbehalts für den Fall des Abschlusses einer D&O-Versicherung (vgl. § 93 Abs. 2 S. 3 AktG),[29] mit dem der Gesetzgeber das Ziel verfolgt, Anreize zur nachhaltigen Unternehmensführung zu setzen, und das sog. Restrukturierungsgesetz (RStruktG) vom 14.12.2010[30] gebracht. Durch letzteres wurde § 93 Abs. 6 AktG geändert: Für börsennotierte Aktiengesellschaften wird die bisherige Verjährungsfrist...

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