Rz. 10

Der wesentliche Unterschied zwischen einem Erbschein und einem Urteil im Feststellungsprozess besteht darin, dass ein Erbschein weder in formelle noch in materielle Rechtskraft erwachsen kann – im Gegensatz zum Feststellungsurteil.

Wird einer positiven Feststellungsklage stattgegeben, steht im Verhältnis der Prozessparteien fest, dass der Kläger Erbe geworden ist. Weist das Gericht die Feststellungsklage jedoch ab, steht lediglich im Verhältnis der Parteien fest, dass der Kläger nicht Erbe geworden ist. Will der Beklagte seine Feststellung als Erbe erreichen, muss er eine Feststellungswiderklage erheben, die seine Feststellung als Erbe zum Gegenstand hat.

 

Rz. 11

Sind die Parteien eines Zivilprozesses identisch mit den Beteiligten eines Erbscheinsverfahrens, wirkt die Rechtskraft eines Erbenfeststellungsurteils nach dem BayObLG[14] insofern, als dass das Nachlassgericht denjenigen einen Erbschein über ihr Erbrecht zu erteilen hat, deren Erbrecht rechtskräftig festgestellt wurde. Das Wesen der materiellen Rechtskraft verbietet der im Erbprätendentenstreit unterlegenen Partei, mit neuen Einwendungen im Erbscheinserteilungsverfahren gehört zu werden. Dies gilt selbst für solche Einwendungen, die im Prozess keine Rolle gespielt haben.

Die gleichen Grundsätze gelten für einen Schiedsspruch, weil auch dieser zwischen den Parteien in Rechtskraft erwächst.

 

Rz. 12

Das OLG München zur Rechtskraft eines Erbenfeststellungsurteils:[15]

Zitat

"Aus der positiven Feststellung des Erbrechts des Beteiligten zu 2) folgt, dass der Beschwerdeführer hier auch nicht mit dem Einwand gehört werden kann, das Testament sei manipuliert. Die Unechtheit des Testaments wäre eine Einwendung, die vom Streitgericht bei seiner Entscheidung zu beachten gewesen wäre. Wenn das Landgericht dann feststellt, dass der Kläger Erbe geworden ist, dann hat es auch über diese Vorfrage entschieden, denn ein Feststellungsurteil entscheidet rechtskräftig über alle Einwendungen, die zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung vorgelegen haben (BGH NJW 1989, 105; OLG Brandenburg BeckRS 2011, 29121; KG BeckRS 2013, 18206; Büscher in: Wieczorek/Schütze, a.a.O., § 322 Rn 126). Daran änderte sich auch dann nichts, wenn die Frage der Wirksamkeit des Testaments von den Parteien im Zivilprozess nicht thematisiert worden ist bzw. wäre, denn gerade aus den (weiten) Rechtskraftwirkung des Feststellungsurteils folgt, dass sich das Gericht bezüglich des umstrittenen Rechts nicht auf die Prüfung bestimmter (von den Parteien vorgetragener) Streitpunkte beschränkt (Zöller/Vollkommer, ZPO, 31. Aufl. 2016, § 322 Rn 7; Völzmann-Stickelbrock in: Prütting/Gehrlein, ZPO, 7. Aufl. 2015, § 322 Rn 63). Letztlich entspricht dies dem Wesenskern der materiellen Rechtskraft: Auch wenn die Parteien und das Gericht Umstände nicht ge- oder erkannt, berücksichtigt oder erwogen haben und die Entscheidung dadurch – gemessen an objektiven Kriterien – falsch sein sollte, ist der Streit zwischen den Parteien entschieden. Anderenfalls bliebe die formelle Rechtskraft ohne Wirkung, denn jede Partei oder jeder Beteiligter könnte sie dann mit dem Vortrag, die frühere Entscheidung sei falsch, überwinden. Dies ist im Ergebnis auch Ausfluss des Rechtsstaatsprinzips, denn ohne eine derartige Grenzziehung ließe sich Rechtsfrieden nicht herstellen. Das Wesen der (materiellen) Rechtskraft besteht darin, dass der Inhalt der Entscheidung für die Parteien und ein neu angerufenes Gericht maßgeblich ist, soweit es in einem späteren Verfahren um dieselbe Rechtsfolge geht (MüKo-ZPO/Gottwald, a.a.O., § 322 Rn 1). Ein späteres Verfahren in diesem Sinne ist auch das Erbscheinsverfahren."

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