Rz. 155

Wie bereits mehrfach erwähnt, ist das ENZ nicht der Nachfolger des deutschen Erbscheins. Vielmehr stehen die beiden Zertifikate nebeneinander. Für einen rein inländischen Nachlass wird es auch in Zukunft kein Bedürfnis für die Beantragung eines ENZ geben. Zugegebenermaßen ist der Anwendungsbereich des § 352c FamFG durch das in der EuErbVO kodifizierte Nachlasszeugnis in Cross-Border-Fragestellungen eingeschränkt worden, wenn die Erben aus dem Ausland kommen und der Erblasser im Ausland lebte. Diese Erben werden zukünftig die Nachlassabwicklung im Inland mit dem ENZ und nicht mehr, wie vor dem 17.8.2015 oftmals erforderlich, mit einem territorial beschränkten deutschen Erbschein arbeiten.

 

Beispiel: Erforderlichkeit eines Fremdrechtserbscheins

Ein Franzose errichtet im Inland eine letztwillige Verfügung von Todes wegen. Nachlassvermögen befindet sich jedoch nur in Deutschland. In seiner letztwilligen Verfügung von Todes wegen bestimmt der Erblasser jedoch gem. Art. 22 EuErbVO, dass sich die Rechtsnachfolge von Todes wegen ausschließlich nach dem Recht seiner Heimatlandes richten soll. Aufgrund der Höhe des Vermögen, sowie des Umstandes, dass der Erblasser auch Immobilien im Inland besitzt, muss ein Erbschein zum Nachweis der Erbfolge beantragt werden. Da der Erblasser jedoch kein Auslandsvermögen besitzt, ist die Beantragung eines ENZ schlichtweg nicht erforderlich. Ausreichend ist in diesem Fall die Beantragung eines inländischen Erbscheins, welcher das anzuwendende fremde Recht ausweist.[325]

 

Rz. 156

Wurde oder wird ein sogenannter "Fremdrechtserbschein" erteilt, so ist neben den Erben und der oben erwähnten gegenständlichen Beschränkung auch das ausländische anzuwendende Erbrecht anzugeben. Strittig war die Frage, ob auch ausländische Erbinstitute im Erbschein mit aufzunehmen sind. Klassische Beispiele werden im Folgenden aufgeführt:

[325] Weitere Fallbeispiele: Zimmermann/Schmidt-Recla, Praxiskommentar Erbrechtliche Nebengesetze, § 352c FamFG Rn 4, 5.

a) Noterbenrecht

 

Rz. 157

In den meisten südeuropäischen Ländern ist das Pflichtteilsrecht als echtes Noterbenrecht ausgestaltet. In einigen Ländern ist die testamentarische Verfügung gerichtlich durch eine Herabsetzungsklage zu kürzen. Ist eine solche Klage durchzuführen, so ist nach erfolgter gerichtlicher Herabsetzung der Noterbe im Erbschein als Erbe aufzuführen. Sie sind Erben und nicht bloße Nachlassgläubiger.[326] Deshalb ist ein Erbschein unter Angaben der Noterben mit ihren Quoten zu erteilen.[327] Ist die Klage noch nicht erhoben, aber noch möglich, so ist der Noterbe zwar nicht als Erbe im Erbschein aufzunehmen, jedoch ist zu vermerken, dass die Herabsetzungsklage noch möglich ist. Dies ist gleich einer Verfügungsbeschränkung einzutragen.[328] Ist zur Durchsetzung des Noterbenrechts keine Herabsetzungsklage erforderlich, so ist nach Geltendmachung der enterbte Noterbe im Erbschein aufzuführen. Ist die Geltendmachung formlos möglich, so kann die Geltendmachung auch in der Beantragung eines Erbscheins liegen.[329]

[326] MüKo/Birk (2010), Art. 25 EGBGB Rn 346.
[327] Keidel/Zimmermann, § 352c FamFG Rn 17.
[328] Johnen, MittRhNotK 1986, 70; Taupitz, IPRax 1988, 207, 210; MüKo/Mayer, § 2369 Rn 31
[329] OLG Düsseldorf DNotZ 1964, 351, 353.

b) Nießbrauchsrecht des Ehegatten

 

Rz. 158

Das Ehegattennießbrauchsrecht ist im romanischen Rechtskreis noch verbreitet. Ob es in einem deutschen Erbschein als Verfügungsbeschränkung Erwähnung finden sollte, war lange Zeit umstritten.[330] Wirkt es als Verfügungsbeschränkung und entsteht es unmittelbar mit dem Erbfall z.B. in Form eines Vindikationslegat (wie z.B. in Belgien), so soll es im Erbschein aufgeführt werden.[331] Die Rechtsprechung lehnte die Aufnahme im Erbschein jedoch stets ab, da das deutsche Recht die Wirkung eines fremden Vindikationslegats nicht kennt.[332] Hat der überlebende Ehegatte ein Wahlrecht zwischen einem Nießbrauchsrecht oder einer Miterbenstellung, so empfiehlt es sich, solange das Wahlrecht noch nicht ausgeübt wurde, dies im Erbschein entsprechend zu vermerken.[333] Hier bringt das ENZ eine Verbesserung mit sich, da in diesem auf das bestehende Ehegattenerbrecht, auch in Form eines Nießbrauchsrechts, hingewiesen werden soll.

[330] Verneinend: Riering, MittBayNot 1999, 519, 525 ff.
[331] MüKo/Birk (2010), Art. 25 EGBG Rn 343.
[332] BayObLGZ 1961, 19 ff.; BayObLG FamRZ 1996, 694, 698.
[333] MüKo/Birk (2010), Art. 25 EGBGB Rn 343.

c) Legs Universel

 

Rz. 159

Stellt das Universalvermächtnis lediglich eine andere Einkleidung der Erbfolge dar, so besteht kein Grund, dies nicht im Erbschein aufzuführen. Er ist sodann als Erbe aufzuführen.[334] Gleiches gilt, wenn durch Erbteilvermächtnisse der Nachlass insgesamt verteilt wird.[335] Das Einzelvermächtnis mit rechtsübertragender Wirkung ist jedoch im Erbschein nicht zu erwähnen.[336]

[334] OLG Saarbrücken NJW 1967, 732, 733.
[335] MüKo/Birk (2010), Art. 25 EGBGB Rn 340.
[336] BayObLGZ 1961, 19 ff.; BayObLGZ 1974, 460, 466.

d) Testamentsvollstreckung nach ausländischem Recht

 

Rz. 160

Eine nach ausländischem Recht angeordnete Testamentsvollstreckung ist dann in den Erbschein aufzuneh...

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