Rz. 143

OLG Frankfurt, Beschluss vom 17.8.2017

Das OLG Frankfurt hat in einer Entscheidung die wahnhafte Störung der Geistestätigkeit von der Psychopathie abgegrenzt und ausgeführt, dass bei einer Psychopathie keine Testierunfähigkeit vorliege:[121]

Zitat

"Wahnhafte Störungen (nach älterer Nomenklatur auch endogene Psychosen) können in Abgrenzung zu alterstypischen "verbohrten" Meinungen dann die freie Willensbildung zur Testamentserrichtung ausschließen, wenn sie krankhaft sind, wenn also eine krankheitsbedingte Abkoppelung von Erfahrung, Logik und (sub-)kulturellem Konsens sowie der Verlust der diesbezüglichen Kritik- und Urteilsfähigkeit vorliegen, dem Betroffenen also ein vernünftiges Abwägen nicht mehr möglich und er logischen Argumenten nicht mehr zugänglich ist (vgl. Cording, Kriterien zur Feststellung der Testier(un)fähigkeit, ZEV 2010, 115 ff., 118) bzw. der Betroffene von seinen Wahnideen ganz beherrscht wird, sie ausbaut und bei jeder Gelegenheit geltend macht (so BayObLG, Beschl. v. 24.10.2001, Az. 1Z BR 40/01, zit. nach juris). Hinzu kommen muss für die Bejahung einer Testierunfähigkeit dann aber weiterhin, da eine von Wahnvorstellungen besessene Person in Bereichen, die mit diesen Wahnvorstellungen nicht zusammenhängen, durchaus normal und vernünftig handeln und denken kann, dass sich die Wahnvorstellungen inhaltlich auf Themen beziehen, die für die Willensbildung in Bezug auf die Testamentserrichtung relevant sind (vgl. u.a. BayObLG, Beschlüsse vom 27.7.2001, a.a.O., vom 14.9.2001, Az. 1Z BR 124/00 und vom 31.1.1991, Az. BReg 1a Z 37/90, jeweils zit. nach juris; Cording, a.a.O., S. 118; so auch Venzlaff/Förster, Psychiatrische Begutachtung, 4. Aufl., S. 519). Der Erblasser muss also in der Lage gewesen sein, sich ein von seinen Wahnvorstellungen unbeeinflusstes Urteil über seine Rechtsnachfolge von Todes wegen zu bilden (BayObLG, Beschl. v. 27.7.2001, a.a.O.). Dabei steht auch der Umstand, dass ein Erblasser ein Testament formuliert hat, das für sich genommen nach Form und Inhalt keine Anzeichen einer krankhaften Geistesstörung erkennen lässt, der Annahme einer Testierunfähigkeit wegen einer krankhaften Wahnsymptomatik nicht entgegen (vgl. hierzu u.a. BayObLG, Beschl. v. 21.7.1999, Az. 1Z BR 122/98, zit. nach juris)."

Eine derartige krankhafte Wahnvorstellung ist weiterhin abzugrenzen von einer Psychopathie, also einer extrem schweren Form der antisozialen Persönlichkeitsstörung, bei deren alleinigem Vorliegen nach der veröffentlichten Rechtsprechung jedoch grundsätzlich eine Testierunfähigkeit nicht angenommen werden kann (vgl. Weidlich, a.a.O., Rn 9 m.w.N.). Soweit das Bayerische Oberste Landesgericht in seinem Beschluss vom 31.1.1991 (a.a.O.) auch krankhafte Wahnvorstellungen als im weiteren Sinne in den Bereich der Psychopathie fallend angesehen hat, handelt es sich offensichtlich um eine Einzelentscheidung, die so in der nachfolgenden Rechtsprechung nicht mehr vertreten worden ist und vertreten wird. Insbesondere auch das Bayerische Oberste Landesgericht hat in späteren Entscheidungen Wahnvorstellungen zu Recht nicht mehr unter den Begriff der Psychopathie gefasst (vgl. u.a. BayObLG, Beschlüsse vom 17.8.2004, a.a.O, vom 24.10.2001, a.a.O., und vom 27.7.2001, a.a.O.; jedenfalls im Leitsatz seines Beschlusses vom 21.7.1999, a.a.O., hat das Bayerische Oberste Landesgericht sogar eine ausdrückliche Abgrenzung zu seinem Beschluss vom 31.1.1991, a.a.O, erklärt).“

[121] OLG Frankfurt, Beschl. v. 17.8.2017 – 20 W 188/17, Rn 27, 28, juris.

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