Entscheidungsstichwort (Thema)

Nachlaßsache

 

Leitsatz (amtlich)

1. Prüfung der Testierfähigkeit bei eventuell irrtumsbedingten Vorstellungen in Abgrenzung zu krankhaften Wahnideen.

2. Irrtumsbedingte Vorstellungen des Erblassers, die nicht das Ausmaß krankhafter Wahnideen erreichen, können ein Motivirrtum im Sinne des § 2078 Abs. 2 BGB sein.

 

Normenkette

BGB § 2078 Abs. 2, § 2229 Abs. 4

 

Verfahrensgang

LG Weiden i.d.OPf. (Aktenzeichen 2 T 205/01)

AG Tirschenreuth (Aktenzeichen VI 116/01)

 

Tenor

I. Auf die weitere Beschwerde der Beteiligten zu 1 und 2 wird der Beschluß des Landgerichts Weiden i.d.OPf. vom 3. Juli 2001 aufgehoben und die Sache zu neuer Behandlung und Entscheidung an das Landgericht Weiden i.d.OPf. zurückverwiesen.

II. Die weitere Beschwerde des Beteiligten zu 3 gegen den Beschluß des Landgerichts Weiden i.d.OPf. vom 3. Juli 2001 wird als unzulässig verworfen.

III. Der Geschäftswert des Verfahrens der weiteren Beschwerde des Beteiligten zu 3 wird auf DM 82.177,– festgesetzt.

 

Gründe

I.

Die im Jahre 2000 im Alter von 92 Jahren verstorbene Erblasserin war verwitwet; ihre beiden Kinder sind ohne Hinterlassung von Abkömmlingen vorverstorben: Die Tochter verstarb 1971, der an Muskelschwund leidende Sohn verstarb 1995. Der Beteiligte zu 3 ist der Neffe der Erblasserin; die Beteiligten zu 1 und 2 sind dessen Sohn und Schwiegertochter. Der Nachlaß besteht aus Geldvermögen von DM 676.164 und Grundvermögen, nämlich dem von der Erblasserin bewohnten Wohn- und Geschäftshaus im Wert von DM 444.598, einem Weganteil im Wert von DM 3.588, einem Einfamilienhaus im Wert von DM 56.570 (einschließlich Renovierung) und – in Erbengemeinschaft zu je 1/2 mit dem Beteiligten zu 3 – einem Wohnhaus zum Anteilswert von DM 82.177. Die Beteiligte zu 4 ist Mieterin des Ladengeschäfts in dem Wohn- und Geschäftsheim.

Die Erblasserin verfaßte am 28.8.1995 folgendes privatschriftliche Testament:

  • Weil es mir immer schlechter geht und ich in das Krankenhaus muß ist es an der Zeit meine Sachen zu regeln.
  • Mein Neffe (Beteiligter zu 3) soll meine Hälfte von dem Wohnheim bekommen, weil er sich um meine Sachen gekümmert hat. Sein Sohn (Beteiligter zu 1) und seine Frau (Beteiligte zu 2) sollen den Rest meine Häuser und das andere bekommen. Die haben meinen Sohn 7 Jahre gepflegt. Sonst soll keiner etwas bekommen. Die haben sich nicht um uns gekümmert.

Aufgrund einer Anregung der Beteiligten zu 2 wurde für die Erblasserin ein Betreuungsverfahren eingeleitet. Mit Beschluß des Vormundschaftsgerichts vom 26.5.1998 wurde der Erblasserin eine Betreuerin bestellt, u. a. zur Wahrnehmung der Aufgabenkreise Gesundheitsfürsorge und Vermögenssorge.

Am 7.4.1999 errichtete die Erblasserin ein notarielles Testament, in dem sie die Beteiligte zu 4 als ihre Alleinerbin einsetzte und das Einfamilienhaus und den Hälfteanteil an dem Wohnhaus als Vermächtnisse dritten Personen zuwandte. Bezüglich des Hälfteanteils bestimmte sie, daß die Vermächtnisnehmerin weder zu Lebzeiten noch von Todes wegen über den Erb- bzw. Grundstücksanteil zugunsten des Beteiligten zu 3 verfügen dürfe.

Die Beteiligten zu 1 und 2 beantragten unter Bezugnahme auf das Testament vom 28.8.1995 einen Erbschein, der sie als Erben der Erblasserin zu je 1/2 ausweisen sollte. Sie sind der Auffassung, daß das Testament vom 7.4.1999 unwirksam sei, weil die Erblasserin zu diesem Zeitpunkt nicht mehr testierfähig gewesen sei. Der Beteiligte zu 3 focht das Testament vom 7.4.1999 mit der Begründung an, die Erblasserin habe die falsche Vorstellung gehabt, er und die Beteiligten zu 1 und 2 seien für den Tod ihres Sohnes verantwortlich, und hätte sie deshalb enterbt. Er beantragte, ihm auf der Grundlage des Testaments vom 28.8.1995 einen Erbschein zu erteilen. Die Beteiligte zu 4 beantragte einen Erbschein, der sie zufolge des Testaments vom 7.4.1999 als Alleinerbin der Erblasserin ausweisen sollte.

Das Nachlaßgericht holte ein psychiatrisches Sachverständigengutachten über die Frage der Testierunfähigkeit der Erblasserin am 7.4.1999 durch den schon im Betreuungsverfahren tätig gewordenen Landgerichtsarzt ein und vernahm in dessen Anwesenheit die Betreuerin der Erblasserin, den Notar und zwei Ärzte, die die Erblasserin in den letzten Jahren behandelt hatten. Außerdem zog es die Akten des die Erblasserin betreffenden Betreuungsverfahrens bei. Mit Beschluß vom 7.2.2001 lehnte es die Erbscheinsanträge der Beteiligten zu 1 bis 3 ab. Das Nachlaßgericht führte aus: Nach der durchgeführten Beweisaufnahme habe es sich nicht überzeugen können, daß die Erblasserin bei Errichtung des Testaments vom 7.4.1999 testierunfähig gewesen sei. Davon könne zufolge des Sachverständigengutachtens weder aufgrund des cerebralen Abbauprozesses noch aufgrund behaupteter Wahnvorstellungen mit der notwendigen Sicherheit ausgegangen werden.

Gegen diese Entscheidung legten die Beteiligten zu 1 und 2 Beschwerde ein, die das Landgericht nach Einholung einer weiteren ärztlichen Stellungnahme und nach mündlicher Anhörung des Landgerichtsarztes mit Bes...

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