Rz. 112

Die Schiedsgerichtsbarkeit[101] ist im Erbrecht[102] noch wenig verbreitet. Gerade bei Unternehmertestamenten kann die Streitentscheidung durch private Schiedsgerichte aber aus verschiedenen Gründen von Vorteil sein. Dazu gehören etwa:

Sachkompetenz der Schiedsrichter nicht nur in rechtlichen, sondern vor allem auch in steuerlichen, wirtschaftlichen und unternehmerischen Fragen (z.B. Unternehmensbewertung);
Kenntnisse über das Unternehmen und die konkreten Markt- und Branchenverhältnisse;
Vertrautheit mit den familiären Verhältnissen;
höhere Akzeptanz der Schiedsrichter bei den Beteiligten und damit auch der Entscheidungen des Schiedsgerichts;
Vertraulichkeit durch Ausschluss der Öffentlichkeit;
kürzere Verfahrensdauer.
 

Rz. 113

Voraussetzung für die Entscheidung durch ein Schiedsgericht ist stets, dass die Angelegenheit in objektiver und subjektiver Hinsicht schiedsfähig ist.[103] Schiedsfähig sind grundsätzlich alle vermögensrechtlichen Ansprüche. Demgegenüber sind nichtvermögensrechtliche Ansprüche nur insofern schiedsfähig, als darüber ein Vergleich geschlossen werden kann (§ 1030 ZPO). Nachlassstreitigkeiten betreffen typischerweise vermögensrechtliche Streitigkeiten, so dass einer Streitübertragung auf Schiedsgerichte keine grundsätzlichen Einwendungen entgegenstehen. Einschränkungen bestehen jedoch im Hinblick auf das Erbscheinsverfahren und die Testamentsvollstreckung.[104]

 

Rz. 114

Die Erbscheinserteilung kann nicht auf ein Schiedsgericht übertragen werden. Der Schiedsspruch wirkt nur zwischen den Parteien (§ 1055 ZPO). Demgegenüber wird der gute Glaube an die Richtigkeit des Erbscheins im Rechtsverkehr allgemein geschützt (§§ 2365 f. BGB). Allerdings sind auch die staatlichen Nachlassgerichte an die Entscheidungen eines Schiedsgerichts gebunden. Der Testamentsvollstrecker kann die Annahme des Amtes nur gegenüber dem staatlichen Nachlassgericht, nicht auch gegenüber einem privaten Schiedsgericht erklären (§ 2202 BGB). Die Entlassung des Testamentsvollstreckers kann gleichfalls nur durch das Nachlassgericht erfolgen.

 

Rz. 115

In subjektiver Hinsicht stellt sich die Frage, ob und inwieweit die Übertragung von Streitigkeiten auf ein Schiedsgericht durch den Erblasser auch für andere Personen verbindlich ist. Unstreitig können aufgrund einer Schiedsvereinbarung in einem Erbvertrag (§ 1029 ZPO) Entscheidungen über die Wirksamkeit, die Auslegung oder die Aufhebung auf ein Schiedsgericht übertragen werden. Der Erblasser kann aufgrund einer Anordnung in einer Verfügung von Todes wegen (§ 1066 ZPO) auch einseitig die Zuständigkeit eines Schiedsgerichts verbindlich anordnen. Die Reichweite der Schiedsgerichtsbarkeit ist dabei aber noch nicht abschließend geklärt. Nach überwiegender Auffassung müssen Personen, die durch eine Verfügung von Todes wegen bedacht werden, auch die Zuständigkeit eines Schiedsgerichts akzeptieren. Zulässig ist es demnach, etwa folgende Streitigkeiten einem Schiedsgericht zu unterstellen:

Streitigkeiten zwischen Erben und Vermächtnisnehmern;
Streitigkeiten zwischen mehreren Erben;
Streitigkeiten betreffend die Erfüllung von Auflagen oder Vermächtnissen;
Streitigkeiten von Erben, Vermächtnisnehmern oder sonstigen Begünstigten mit einem Testamentsvollstrecker,
Streitigkeiten unter mehreren Testamentsvollstreckern über die Führung des Amtes.

Demgegenüber können Streitigkeiten mit Pflichtteilsberechtigten[105] und Nachlassgläubigern ohne deren Zustimmung grundsätzlich nicht auf ein Schiedsgericht übertragen werden.

 

Rz. 116

 

Praxishinweis

Zur Vermeidung von Streitigkeiten sollte die Zuständigkeit des Schiedsgerichts in einer Schiedsklausel in jedem Fall umfassend und genau umschrieben werden. Die Zuständigkeit des Schiedsgerichts kann dabei auch auf einzelne Fragen beschränkt werden.

 

Rz. 117

Die Übertragung von Nachlassstreitigkeiten auf ein Schiedsgericht kann sowohl in der Verfügung von Todes wegen als auch getrennt davon erfolgen.[106]

 

Rz. 118

Der Erblasser sollte auch das für die Streitentscheidung zuständige Schiedsgericht bestimmen. Dabei hat er grundsätzlich die Wahl zwischen einem ad hoc-Schiedsgericht und einem institutionellen Schiedsgericht (§§ 1034 ff. ZPO).[107] Mögliche Kriterien für die Wahl des Schiedsgerichts sind:

Dauer der Bildung und der Besetzung des Schiedsgerichts;
Sachkompetenz der Schiedsrichter;
Unabhängigkeit und Unparteilichkeit der Schiedsrichter.
 

Rz. 119

Möglich ist es auch, den Testamentsvollstrecker als Schiedsrichter für Streitigkeiten zwischen Erben und sonstigen Nachlassbeteiligten zu benennen. Im Hinblick auf potentielle Interessenkollisionen erscheint eine Personalunion zwischen Testamentsvollstrecker und Schiedsrichter aber im Regelfall nicht unbedingt empfehlenswert.

 

Rz. 120

Muster 23.11: Schiedsklausel

 

Muster 23.11: Schiedsklausel

Über alle Streitigkeiten zwischen Erben und sonstigen Nachlassbeteiligten aufgrund der heute getroffenen Verfügung von Todes wegen entscheidet – soweit gesetzlich zulässig – ein Schiedsgericht. Der R...

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