Rz. 11

Seit dem Inkrafttreten der Neuregelung zur Anrechnung der Geschäftsgebühr nach § 15a RVG im Jahre 2009[10] hat sich die Prozessführung im Hinblick auf die Geschäftsgebühr geändert. Zu beantworten ist die Frage, ob und in welchem Umfang die Geschäftsgebühr neben der Hauptforderung einzuklagen ist und/oder in welchem Umfang diese im Kostenfestsetzungsverfahren Berücksichtigung findet.

 

Rz. 12

 

Hinweis

Voraussetzung ist allerdings, dass überhaupt eine Geschäftsgebühr entstanden ist. Eine Anrechnung der Geschäfts- auf die Verfahrensgebühr gemäß Teil 3 Vorbemerkung 3 Abs. 4 S. 1 VV RVG ist ausgeschlossen, wenn zwischen der erstattungsberechtigten Partei und ihrem Prozessbevollmächtigten keine Geschäftsgebühr i.S.v. Nr. 2300 VV RV entstanden ist, sondern vielmehr eine zulässige Honorarvereinbarung getroffen wurde.[11]

 

Rz. 13

Während § 15a Abs. 1 RVG das Innenverhältnis zwischen Anwalt und Auftraggeber regelt, befasst sich § 15a Abs. 2 RVG mit der Wirkung im Außenverhältnis. In § 15a RVG wird klargestellt, dass aufeinander anzurechnende Gebühren zunächst unabhängig voneinander in voller Höhe entstehen. Der Anwalt kann grundsätzlich jede abzurechnende Gebühr in vollem Umfang geltend machen. Allerdings bewirkt die Zahlung einer Gebühr, dass im Umfang der Anrechnung auch die andere Gebühr erlischt. Dem Anwalt stehen nicht beide Gebühren zu, sondern insgesamt nur der um die Anrechnung verminderte Gesamtbetrag.

 

Rz. 14

Die Geschäftsgebühr kann nach Nr. 2300 VV RVG als allgemeine Geschäftsgebühr oder nach Nr. 2503 VV RVG als Geschäftsgebühr in Beratungshilfemandaten anfallen.

 

Rz. 15

 

Tipp

Letzteres sollte ausdrücklich vereinbart werden, wenn der Mandant zwar einen Anspruch auf die Beratungshilfe hat und damit wirtschaftlich gar nicht in der Lage ist, die Geschäftsgebühr nach Nr. 2300 VV RVG zu bezahlen, aus bestimmten Gründen die Beratungshilfe aber tatsächlich nicht beantragt wird. Dies hat Auswirkungen auf das Erstattungsverhältnis. Da vom Gegner nur erstattet verlangt werden kann, was auch tatsächlich an Gebühren angefallen ist (§§ 280, 286 BGB bzw. §§ 91 ff. ZPO), kann auch nur in diesem Umfang der nicht anzurechnende Betrag eingeklagt werden.

 

Rz. 16

Die angefallene Geschäftsgebühr ist in beiden Alternativen (Nr. 2300 oder Nr. 2503 VV RVG) auf die im Rechtsstreit anfallende Verfahrensgebühr anzurechnen (Vorbem. 3 Abs. 4 VV RVG und Nr. 2503 Abs. 2 VV RVG). Nach § 15a Abs. 1 RVG kann der Rechtsanwalt nunmehr aber jede Gebühr zunächst ungekürzt von seinem Mandanten fordern, was zur Konsequenz hat, dass im Kostenfestsetzungsverfahren die Geschäftsgebühr nicht mehr auf die Verfahrensgebühr anzurechnen ist.

 

Rz. 17

§ 15a Abs. 2 RVG schränkt die Einwendungen erstattungspflichtiger Dritter ein. Danach kann sich ein Dritter auf die Anrechnung berufen, soweit

er den Anspruch auf eine der beiden Gebühren erfüllt hat,
wegen eines dieser Ansprüche gegen ihn ein Vollstreckungstitel besteht oder
beide Gebühren in demselben Verfahren gegen ihn geltend gemacht werden.
 

Rz. 18

Der erste Fall wird in der Praxis nur selten vorliegen, d.h. dass der Prozessgegner außergerichtlich die auf den Streitgegenstand fallende Geschäftsgebühr bereits ausgeglichen hat. Auch ein Vollstreckungstitel wird in der Regel nicht existieren. Anders sieht es mit der dritten Alternative aus. Nach der bisherigen Rechtsprechung des BGH[12] musste die vorgerichtlich entstandene Geschäftsgebühr im nachfolgenden Kostenfestsetzungsverfahren zwingend auf die Verfahrensgebühr angerechnet werden. Folge war, dass die Geschäftsgebühr im Hauptsacheverfahren vollständig eingeklagt werden musste, soweit ein materiell-rechtlicher Anspruch bestand.

 

Rz. 19

Heute gilt: Soweit der Rechtsanwalt im Kostenfestsetzungsverfahren seine volle 1,3-Verfahrensgebühr nach Nr. 3100 VV RVG festgesetzt erhalten möchte, darf er im Prozess lediglich den nicht anrechenbaren Teil der Geschäftsgebühr einklagen. Im Kostenfestsetzungsverfahren hat der Prozessgegner dann nach § 15a RVG keine Möglichkeit, der Festsetzung der vollen Verfahrensgebühr zu entgehen.

 

Rz. 20

 

Gehen Sie wie folgt vor:

Fordern Sie den Gegner unter Fristsetzung außergerichtlich auf, die volle Geschäftsgebühr zu zahlen, sodass er sich insoweit in Verzug befindet.
Soweit der Gegner die Geschäftsgebühr – wie in der Regel – außergerichtlich nicht zahlt, machen sie den nach Vorbem. 3 Abs. 4 VV RVG nicht anrechenbaren Teil mit der Hauptsacheklage geltend.
In der nachfolgenden Kostenfestsetzung kann sodann die volle Verfahrensgebühr angemeldet werden. Ein Hinweis darauf, dass ein Fall des § 15a Abs. 2 ZPO nicht vorliegt, weshalb die Geschäftsgebühr nicht anrechenbar ist, kann hilfreich sein.
 

Rz. 21

Sind Sie in entsprechender Weise vorgegangen und gewinnen den Prozess, so erhält der Mandant die hälftige Geschäftsgebühr aus dem Hauptsacheverfahren und die volle Verfahrensgebühr vom Prozessgegner aus der Kostenfestsetzung. Der Mandant trägt so nur noch für die Hälfte der Geschäftsgebühr das Risiko, dass das Gericht einen materielle...

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