1. Möglichkeit der Selbstkorrektur unanfechtbarer Entscheidungen

 

Rz. 111

Ist eine Berufung gegen ein Urteil unzulässig, weil entweder die Berufungssumme nicht erreicht ist oder das erstinstanzliche Gericht die Berufung nicht zugelassen hat und wurde im erstinstanzlichen Verfahren das rechtliche Gehör verletzt, so kann auf Antrag ("Anhörungsrüge") eine Selbstkorrektur des Urteils erfolgen, § 321a ZPO. Vor allem bei Auskunftsklagen, die oftmals einen Beschwerdestreitwert von 600 EUR oder weniger haben, kann der subsidiäre Rechtsbehelf im Einzelfall von Bedeutung sein.

2. Verfahren

 

Rz. 112

Die Selbstkorrekturmöglichkeit prüft das Gericht nicht von Amts wegen. Allein der durch die Entscheidung Beschwerte kann die Rüge schriftlich binnen einer Notfrist von zwei Wochen beim Ausgangsgericht erheben, § 321a Abs. 2 ZPO. Die Frist beginnt, wenn der Beschwerte von einer Verletzung des rechtlichen Gehörs Kenntnis erlangt. Dies ist meist die Zustellung des vollständigen Urteils. Gegen die Versäumung der Frist ist nach allgemeinen Regeln die Wiedereinsetzung zulässig, § 233 ZPO. Spätestens nach Ablauf eines Jahres seit Bekanntgabe der Entscheidung kann die Rüge nicht mehr erhoben werden.

 

Rz. 113

Für die Begründetheit der Rüge müssen zwei Voraussetzungen erfüllt sein:

Die Vorschrift beschränkt sich auf Verletzungen des nach Art. 103 Abs. 1 GG geschützten rechtlichen Gehörs.[143]
Außerdem muss die Verletzung entscheidungserheblich gewesen sein.
 

Rz. 114

Ist die Rüge begründet, so wird das rechtliche Gehör nachgeholt. Das Ausgangsverfahren wird fortgesetzt und es ergeht ein neues Urteil, das – vergleichbar dem Einspruchsverfahren gegen ein Versäumnisurteil – das Ersturteil entweder aufrechterhält oder aber ganz oder teilweise aufhebt, §§ 343 ZPO, 321a Abs. 5 S. 3 ZPO. Ist die Rüge unzulässig, so wird sie verworfen; ist sie unbegründet, so wird sie zurückgewiesen, § 321a Abs. 4 ZPO. Die gerichtliche Entscheidung darüber ist kurz zu begründen. Ein Rechtsmittel dagegen ist nicht statthaft, § 321a Abs. 4 S. 4 ZPO. Allenfalls kann dagegen mit der Verfassungsbeschwerde vorgegangen werden.

[143] BGH NJW 2016, 3035, 3037; BGB NJW 2009, 2710; BGH NJW 2008, 2126.

3. Kosten und Gebühren

 

Rz. 115

Die Gerichtskosten werden im Unterliegensfall mit einer Festgebühr von 60 EUR berechnet, KV 1700, 2600 GNotKG. Wurde die Rüge dagegen zu Recht erhoben, ist das Verfahren gerichtskostenfrei.

 

Rz. 116

Vertritt ein Rechtsanwalt ohnehin den Beschwerten im Verfahren, so löst dies keine eigene Vergütung aus, § 19 Abs. 1 S. 2 Nr. 5 Buchst. b RVG. Erfolgt die Vertretung von dritter Seite, können die Gebühren nach VV 3330, 3331 RVG anfallen.

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