I. Überblick

 

Rz. 212

Familienstiftungen werden im BGB nicht ausdrücklich genannt. Der BGB-Gesetzgeber orientierte sich am Leitbild der gemeinwohlkonformen Allzweckstiftung, das auch privatnützige bzw. Familienstiftungen umfasst. Zivilrechtliche Sonderregeln für privatnützige Stiftungen existieren jedoch teilweise in den Landesstiftungsgesetzen.[334]

 

Rz. 213

Sonderregeln für Familienstiftungen kennt das Steuerrecht. Es gibt allerdings keine einheitliche steuerrechtliche Definition der Familienstiftung.[335] Diese Definitionen weichen zudem von den zivilrechtlichen Definitionen der Landesstiftungsgesetze ab.[336]

 

Rz. 214

Spätestens mit der Modernisierung des Stiftungsrechts hat der Gesetzgeber die Zulässigkeit von privatnützigen Stiftungen und Familienstiftungen anerkannt.[337] Das BGB verlangt lediglich, dass der Stiftungszweck das Gemeinwohl nicht gefährdet, er muss das Gemeinwohl indessen nicht fördern, vgl. § 82 S. 1 BGB (bis 30.6.2023: § 80 Abs. 1 BGB a.F.). Verschiedene Autoren haben die Zulässigkeit von privatnützigen Stiftungen und von Familienstiftungen (insbesondere von sog. "voraussetzungslos berechtigenden" oder "fideikommissartigen" Familienstiftungen[338]) in Frage gestellt. Die Einrichtung eines dauerhaft familiär gebundenen Sondervermögens sei der Dogmatik des Erbrechts grundsätzlich fremd und aufgrund des Widerspruchs zu den Regelungen der §§ 2044 Abs. 2, 2109, 2162 f. und 2210 BGB unzulässig.[339] Auch ermögliche die privatnützige Stiftung die Bildung von Haftungsexklaven.[340] Das Stiftungsvermögen selbst und seine Perpetuierung könne daher genauso wenig Stiftungszweck sein wie die bloße Vermögensmehrung im Sinne einer Vermögensbewirtschaftung.[341]

 

Rz. 215

Das Stiftungsmodernisierungsgesetz hat im Jahr 2002 die Frage nach der Zulässigkeit indessen (mittelbar) positiv beantwortet. Es enthält keine Einschränkungen der Anerkennungsfähigkeit von privatnützigen Stiftungen. Mit der ganz h.M.[342] ist somit von deren Zulässigkeit auszugehen. Aus der Entstehungsgeschichte des BGB, dem Fideikommissverbot, den erbrechtlichen Regelungen des BGB oder dem stiftungsrechtlichen Gemeinwohlgedanken ergeben sich keine Einschränkungen.[343] Erhebungen des Bundesverbands Deutscher Stiftungen gehen von ca. 1.300 bestehenden Familienstiftungen in Deutschland aus.[344] Ihre zahlreiche Errichtung befeuerte in den letzten Jahren das günstige Erbschaft- und Schenkungsteuerrecht.

 

Rz. 216

Motive für die Errichtung einer Familienstiftung können insbesondere sein: die Bewahrung des Vermögens vor Zersplitterung, die Vermeidung von Wohlstandsgefällen zwischen Familienstämmen, der Schutz gegen Pflichtteilsansprüche, das Fehlen geeigneter Nachfolger in der Familie, die Vermeidung von Streit um Mitspracherechte in der Geschäftsführung, die Planbarkeit des Erbschaftsteueranfalls sowie eine Finanzierungsfunktion für ein etwaiges eingebrachtes Unternehmen.[345]

[334] Richter/Richter, Stiftungsrecht, § 11 Rn 4, 33 ff. Für Familienfideikommissauflösungs-Stiftungen, die aufgrund des FidErlG von 1938 aus den Familienfideikommissen hervorgegangen sind, gelten z.T. noch Sonderregeln, vgl. im Überblick Staudinger/Mittelstädt, BGB, Art. 59 EGBGB Rn 1 ff.; vgl. auch Hüttemann/Rawert, ZIP 2021, Beilage zu Heft 33, 1, 42.
[335] Richter/Richter, Stiftungsrecht, § 13 Rn 51 ff.
[336] Zum Begriff der Familienstiftung im Erbschaftsteuerrecht siehe Rdn 262 ff.
[337] Staudinger/Hüttemann/Rawert, BGB, Vorbem. zu §§ 80 ff. Rn 273.
[338] Vgl. Reuter, Wiederbelebung der Fideikommisse im Rechtskleid der privatnützigen Stiftung?, in: Hattenhauer/Hoyer/Meyer-Pritzl/Schubert (Hrsg.), Gedächtnisschrift für Jörn Eckert, Baden-Baden 2008, 677 ff.
[339] Däubler, JZ 1969, 501; vgl. auch Staudinger/Hüttemann/Rawert, BGB, Vorbem. zu §§ 80 ff. Rn 264 ff. m.w.N.
[340] Vgl. MüKo/Weitemeyer, §§ 80 Rn 184 ff.
[341] Staudinger/Hüttemann/Rawert, BGB, Vorbem. zu §§ 80 ff. Rn 257 ff.; zum Stiftungsvermögen nach der Stiftungsrechtsreform ausführlich Hüttemann/Rawert, ZIP 2021, Beilage zu Heft 33, 1, 12 ff.
[342] Richter/Richter, Stiftungsrecht, § 11 Rn 29; Sorg, Die Familienstiftung, 33, 64, 66; Richter/Sturm, ZErb 2006, 75, 80.
[343] Umfassend Fröhlich, Die selbstständige Stiftung im Erbrecht, 53 ff., 59 ff., 64 ff., 68 ff.
[345] Ausführlich Richter/Richter, Stiftungsrecht, § 11 Rn 7 ff.

II. Zivilrecht und Stiftungsaufsicht

1. Beschränkte Stiftungsaufsicht

 

Rz. 217

Wann eine Stiftung als "Familienstiftung" einzuordnen ist, wird in den jeweiligen Landesstiftungsgesetzen unterschiedlich geregelt. Maßgeblich für das anwendbare Recht ist der Sitz der Stiftung.[346] Während es nach einigen Landesstiftungsgesetzen genügt, dass die Stiftung mindestens "überwiegend"[347] dem Wohl der Mitglieder einer oder mehrerer bestimmter Familien bzw. privaten Zwecken[348] dient, fordern andere, dass die Stiftung "ausschließlich"[349] diesbezüglich tätig wird. Allerdings wird der in den meisten Landesstiftungsgeset...

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