Rz. 1

Das Internationale Privatrecht (Kollisionsrecht) beantwortet die Frage, welches (staatliche) Recht in einem Fall mit Auslandsberührung anzuwenden ist. Die nachfolgend dargestellten Formularmuster für Verträge und für den Prozess beziehen sich deshalb (nur) auf die damit zusammenhängenden Fragen. Nicht behandelt werden hier:

Gerichtsstandsvereinbarungen (vgl. § 23 Rdn 11 ff.) ebenso wie Erfüllungsortvereinbarungen, die die internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte bestimmen (§ 29 Abs. 2 ZPO, Art. 7 Nr. 1 lit. a EuGVO (2015), Art. 5 Nr. 1 lit. a LugÜ).
Schiedsvereinbarungen (vgl. dazu § 36 Rdn 29), die die Zuständigkeit von Schiedsgerichten anstelle der staatlichen Gerichtsbarkeit begründen. Wie Gerichtsstandsvereinbarungen stellen Schiedsvereinbarungen eigene, von dem Vertrag, auf den sie sich beziehen, unabhängige Vereinbarungen dar, für die auch das anwendbare Recht gesondert zu bestimmen ist (sog. Trennungsprinzip). Von dem auf die Schiedsvereinbarung anzuwendenden Recht zu unterscheiden ist das im Rahmen von Schiedsverfahren in der Hauptsache anzuwendende Recht. Für internationale Schiedsverfahren mit deutschem Schiedsort gilt deutsches Verfahrensrecht (§§ 1025 Abs. 1, 1043 Abs. 1 ZPO). Das anzuwendende Recht ist in diesem Fall nach den zu § 1051 ZPO entwickelten Grundsätzen zu bestimmen, die im Folgenden dargelegt werden (hierzu ausführlich Rdn 81 ff.).

Das IPR ist durch eine häufig unübersichtliche Rechtsquellenlage und eine bereits weit fortgeschrittene europäische Rechtsentwicklung[1] gekennzeichnet. Das ip-rechtliche Verweisungssystem wird erläutert und durch Checklisten praktisch erschlossen.

 

Rz. 2

Das Internationale Privatrecht ist abzugrenzen von Internationalem Einheitsrecht, welches in zwei oder mehreren Staaten einheitlich als Sachrecht gilt. Sachrechtliches Einheitsrecht ist unabhängig von dem kollisionsrechtlichen Verweisungssystem unmittelbar anwendbar. Einheitsrecht von einiger praktischer Bedeutung besteht gegenwärtig u.a. in folgenden Sachgebieten:

Warenkauf (CISG[2])
Factoring (Übereinkommen von Ottawa[3])

Transportrecht

grenzüberschreitender Frachtverkehr auf der Straße – CMR[4]
grenzüberschreitender Fracht- und Personenverkehr auf der Schiene – COTIF[5]
internationaler Luftverkehr (Montrealer Übereinkommen)[6]
Fluggastrechte-VO[7]

Schutz geistigen Eigentums

Schutz gewerblichen Eigentums – PVÜ[8]
Schutz von Werken der Literatur und Kunst – RBÜ[9]
handelsbezogene Aspekte der Rechte des geistigen Eigentums – TRIPS[10]

In den Bereich des Einheitsrechts gehören auch Regeln aus nichtstaatlichen Rechtsquellen wie Musterverträge oder gebräuchliche Vertragsklauseln (etwa für den Warenkauf die Incoterms[11]), Mustergesetze und sonstige Zusammenstellungen allgemeiner Rechtsgrundsätze (UNIDROIT-Principles of International Commercial Contracts – UPICC,[12] Principles of European Contract Law – PECL.[13] Zu deren Einbeziehung in den Vertrag vgl. Rdn 31; als anwendbares Recht vor Schiedsgerichten Rdn 81 ff.). Die EU plante ein einheitliches Vertragsrecht auf der Grundlage des (wissenschaftlichen) DCFR[14] als (politischer) gemeinsamer Referenzrahmen für das europäische Vertragsrecht (CFR).[15] Das darauf beruhende Projekt eines (optionalen) Gemeinsamen Europäischen Kaufrechts (GEKR)[16] wird seit 2014 nicht weiter verfolgt.

[1] Vgl. die jährlichen Entwicklungsberichte zuletzt: Mansel/Thorn/Wagner, IPRax 2019, 85, davor IPRax 2017, 1; entsprechend zur justiziellen Zusammenarbeit: R. Wagner, NJW 2017, 1796.
[2] Convention on Contracts for the International Sale of Goods = Wiener UN-Kaufrecht über Verträge über den internationalen Warenkauf v. 11.4.1980, BGBl II 1989, 588.
[3] UNIDROIT-Übereinkommen von Ottawa über das internationale Factoring v. 28.5.1988 (BGBl II 1998, 172). Nach Art. 2 Abs. 1a anwendbar bei Niederlassung von Schuldner, Lieferant und Factor in (verschiedenen) Vertragsstaaten; Text Jayme/Hausmann, Nr. 78.
[4] Genfer Übereinkommen über den Beförderungsvertrag im internationalen Straßengüterverkehr v. 19.5.1956. Die Regeln sind bei grenzüberschreitenden Transporten zwingend anwendbar, Art. 41 CMR. S. Koller, TranspR, Art. 41 CMR Rn 1 ff.; Kreuzer/Wagner/Reder in: Dauses/Ludwigs, R. Europäisches Internationales Privatrecht Rn 256.
[5] Übereinkommen v. 9.5.1980 über den internationalen Eisenbahnverkehr (BGBl II 1985, 130 u. 666), geändert durch das Protokoll von Vilnius 1999 (Text des Protokolls BGBl II 2002, 2142; der Neufassung des Übereinkommens BGBl II 2002, 2149, in Kraft getreten für Deutschland am 1.7.2006, BGBl II 2006, 827). Das COTIF ersetzt das Übereinkommen zum Personen- u. Gepäckverkehr (CIV), dessen Regelungen nunmehr als Anhang A (ER-CIV) Bestandteil des COTIF sind und zugleich gem. Art. 4 und Art. 11 der europäischen Eisenbahnfahrgastrechte-VO (EG) Nr. 1371/2007 v. 23.10.2007 (Abl. L 315 v. 3.12.2007, S. 14) zur Anwendung berufen werden; ausführlich Kreuzer/Wagner/Reder in: Dauses/Ludwigs, R. Europäisches Internationales Privatrecht Rn 258). F...

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