Rz. 289

Für die praktische Handhabung dieser Verfahren ist zudem zu beachten, dass die Einstellung der Zwangsvollstreckung in ihrem Umfang weder zeitlich noch inhaltlich weiter gehen kann als die Entscheidung in der Hauptsache.

 

Rz. 290

Das bedeutet konkret:

die Einstellung der Vollstreckung kann sich nicht auf einen höheren Betrag beziehen als mit der Abänderung als solche durchgesetzt werden soll. Wird also nicht die vollständige Aufhebung des Unterhaltstitels verlangt, sondern nur eine Reduzierung in der Höhe, müssen auch der Einstellungsantrag und die Einstellungsentscheidung diesen betragsmäßigen Rahmen berücksichtigen.
Größere praktische Bedeutung hat dieser Grundsatz aber in zeitlicher Hinsicht. Ist im gerichtlichen Unterhaltstitel, dessen Abänderung verlangt wird, laufender Unterhalt festgeschrieben, so kann eine Herabsetzung nur innerhalb der Zeitgrenzen des § 238 Abs. 3 FamFG durchgesetzt werden. Ohne besondere Maßnahmen kann damit die Einstellung der Zwangsvollstreckung erst zum Zeitpunkt der förmlichen Zustellung des Hauptsacheantrages auf Herabsetzung erfolgen (§ 238 Abs. 3 Satz 1 FamFG).
 

Rz. 291

 

Praxistipp:

Aus praktischen Gründen ist es in Fällen, in denen keine Verfahrenskostenhilfe begehrt wird, ratsam, den Gerichtskostenvorschuss auf der Basis des selbst errechneten vorläufigen Verfahrenswertes sofort selbst einzuzahlen.
Geschieht dies nicht, ist mit Verzögerungen zu rechnen. Denn das Gericht muss erst den Verfahrenswert festsetzen, die Anforderung eines Kostenvorschusses veranlassen, die dem Ehegatten zugeschickt werden muss. Bevor dann die Zahlung nicht bei der Gerichtskasse eingegangen und die Einzahlung zur Akte gemeldet worden ist, wird keine Zustellung veranlasst. Dadurch können schon mal mehrere Wochen ungenutzt ins Land gehen, ohne dass der Verfahrensgegner überhaupt Kenntnis vom beim Gericht eingereichten Verfahren hat.
Es wird als – haftungsrelevante – Aufgabe des Anwalts angesehen, bei Gericht nachzufragen, falls trotz erfolgter Einzahlung des Kostenvorschusses keine Zustellung erfolgt ist.[328]
 

Rz. 292

In Verfahren, in denen zuerst Verfahrenskostenhilfe bewilligt werden soll, verzögert sich die Zustellung des Antrags und damit die Möglichkeit der Einstellung noch weiter. Da zwischen dem Eingang des Antrags und der förmlichen Zustellung – vor Allem in Verfahren mit vorgeschalteter VKH – also erhebliche Zeit vergehen kann, besteht das Risiko, dass noch Beträge vollstreckt werden können, die– mangels fehlender Rückwirkung der späteren Änderung des Titels – später nicht einmal zurückgefordert werden können.

 

Rz. 293

Hier besteht einmal die Möglichkeit, die sofortige Zustellung des Hauptsacheantrages gem. § 14 Nr. 3a, b GKG zu beantragen. Danach gilt die Pflicht zur Zahlung eines Kostenvorschusses nicht, wenn

glaubhaft gemacht wird, dass dem Antragsteller die alsbaldige Zahlung der Kosten mit Rücksicht auf seine Vermögenslage oder aus sonstigen Gründen Schwierigkeiten bereiten würde (§ 14 Nr. 3a GKG) oder
glaubhaft gemacht wird, dass eine Verzögerung dem Antragsteller einen nicht oder nur schwer zu ersetzenden Schaden bringen würde; zur Glaubhaftmachung genügt in diesem Fall die Erklärung des zum Verfahrensbevollmächtigten bestellten Rechtsanwalts (§ 14 Nr. 3b GKG).
 

Rz. 294

 

Praxistipp:

Dieser über § 14 Nr. 3a, b GKG Weg beinhaltet jedoch ein Kostenrisiko. Denn durch die sofortige Zustellung des Hauptsacheantrages wird das Hauptsacheverfahren rechtshängig. Wird die beantragte Verfahrenskostenhilfe verweigert, muss der Antragsteller die Kosten selbst tragen.
Einen weitaus kostengünstigeren und damit mit weniger Risiko verbundenen Weg bietet § 1613 BGB. Ist dem Unterhaltsgläubiger im Vorfeld des gerichtlichen Verfahrens ein Auskunftsverlangen mit dem Inhalt einer "negativen" Mahnung zugegangen, kann der Titel nach § 238 III 3 FamFG sogar rückwirkend aufgehoben werden für die Zeit seit dem Ersten des auf das Auskunftsverlangen folgenden Monats (siehe Rdn 72, 234 und 234).
Eine solche Aufforderung im Vorfeld des gerichtlichen Antrags sollte unbedingt in der Antragsschrift mit den erforderlichen Daten ausgeführt und belegt werden.
Damit kann einmal die Einstellung der Zwangsvollstreckung sofort mit Wirkung für die Zukunft beschlossen werden, ohne dass die förmliche Zustellung abgewartet werden muss.
Ist für den Zeitraum seit dem Auskunftsverlangen noch kein Unterhalt gezahlt bzw. vollstreckt worden, kann zum anderen die Einstellung auch auf diesen in der Vergangenheit liegenden Zeitraum erstreckt werden.
In diesem Fall muss auch der Antrag entsprechend formuliert ("die Einstellung der Zwangsvollstreckung anordnen für Unterhaltszahlungen seit dem …") und der Zugang eines solchen Aufforderungsschreibens dargelegt werden. Ohne einen solchen Antrag auf die Abänderung auch zu diesem Zeitpunkt beantragt ist, kann die Einstellung nicht rückwirkend angeordnet werden (§ 308 ZPO).
Die zeitliche Obergrenze des § 238 Abs. 3 Satz 3 FamFG (ein Jahr vor Rechtshängigkeit) ist dabei z...

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