a) Freiwillige Zahlung und Aufforderung zur Titulierung

 

Rz. 78

Der Unterhaltspflichtige zahlt freiwillig den gewünschten Unterhalt in voller Höhe, die Unterhaltsberechtigte möchte jedoch zur Absicherung für die Zukunft einen vollstreckbaren Titel.

Auch bei regelmäßiger und pünktlicher freiwilliger Zahlung des geforderten Unterhaltes in voller Höhe besteht grundsätzlich ein Titulierungsinteresse[77] auch dann, wenn keine Befürchtung besteht, der Schuldner werde sich weiteren Zahlungen entziehen.[78] Das Rechtsschutzinteresse entfällt erst dann, wenn dem Gläubiger ein vollstreckbarer Titel vorliegt.[79]

 

Rz. 79

 

Praxistipp:

Der Unterhaltspflichtige muss nicht von sich aus dem Unterhaltsberechtigten einen Titel aufdrängen. Er kann eine entsprechende Aufforderung durch den Berechtigten abwarten. Es ergeben sich nach der BGH-Rechtsprechung aber Risiken, wenn der Unterhaltsberechtigte einen höheren Unterhaltsbetrag verlangt).
Bevor der Unterhaltsberechtigte gerichtliche Schritte einleitet, um einen Unterhaltstitel in gleichem Umfang der bisher geleisteten Zahlungen zu erwirken, muss er den Pflichtigen daher ausdrücklich auffordern, in Höhe der bislang geleisteten freiwilligen Zahlungen einen Titel für die Zukunft zu erstellen.
Wird die Antragsschrift zugestellt oder ein dahingehender Verfahrenskostenhilfeantrag übermittelt, muss der Unterhaltspflichtige sorgfältig prüfen, welche Anträge mit welcher Begründung gestellt oder auch nur angekündigt werden.
Für die Verfahrensbevollmächtigten beider Seiten lauern hier erhebliche Fehlerquellen und Regressgefahren!

Vom Titulierungsinteresse zu unterscheiden ist die Frage, wer die evtl. Kosten einer Titulierung übernehmen muss.

 

Rz. 80

Beim Kindesunterhalt bietet sich die Errichtung einer Jugendamtsurkunde nach § 59 Abs. 1 Nr. 3 SGB VIII an. Eine solches Anerkenntnis vor dem Jugendamts kann für Kinder bis zum Alter von 21 Jahren abgegeben werden und ist kostenfrei (da in der Vorschrift des § 91 SGB VIII nicht aufgeführt).[80] Nach § 59 Abs. 1 Nr. 4 SGB VIII besteht diese Möglichkeit auch für den Unterhaltsanspruch der nichtehelichen Mutter nach § 1615 Abs. 1 BGB.[81]

Dagegen lösen titulierte Unterhaltsverpflichtungen über Ehegattenunterhalt Kosten aus, da sie nur beim Notar erstellt werden können.

 

Rz. 81

Umstritten, aber von großer praktischer Bedeutung ist, wer die Kosten der freiwilligen Titulierung zu tragen hat:

Nach einer Mindermeinung muss auch bei regelmäßiger freiwilliger Zahlung der Pflichtige die Kosten übernehmen.[82]

Dagegen geht die h.M. davon aus, dass ein materiellrechtlicher Anspruch des Unterhaltsberechtigten auf Kostenübernahme für eine solche Titulierung nicht besteht.[83]

Demnach muss der Berechtigte die Übernahme der Kosten bereits in der Aufforderung zusagen.[84] Fehlt dieses Kostenübernahmeangebot, liegt keine ordnungsgemäße Aufforderung zur Erstellung eines Titels vor.
Ein Titulierungsinteresse besteht nur ausnahmsweise dann, wenn Anhaltspunkte dafür vorhanden sind, dass der bisher freiwillig gezahlte Betrag in Zukunft nicht mehr zuverlässig freiwillig bezahlt wird.[85]
[77] BGH FamRZ 1998, 1165 = NJW 198, 3116; OLG Nürnberg FPR 2002, 542, OLG Brandenburg FamRZ 2000, 1159; OLG Nürnberg FuR 1999, 343; OLG Schleswig OLGReport Schleswig 1996, 137; OLG Bremen OLGR Bremen 1996, 106, OLG Hamm FamRZ 1992, 831; OLG Köln FamRZ 1986, 827; OLG Hamm ZFE 2006, 154; Bömelburg in Prütting/Helms, FamFG, 2020, § 243 Rn 24, jurisPK/Weil, 2017 § 1585 BGB Rn 27.
[78] Bömelburg in Prütting/Helms, FamFG, 2020, § 243 Rn 24; Klein in Schulte-Bunert/Weinreich, FamFG, 2016, § 243 Rn 14.
[79] Büte in Büte/Poppen/Menne Unterhaltsrecht, 2015, § 243 FamFG Rn 6.
[80] Roßmann in Eschenbruch/Schürmann/Menne, Unterhaltsprozess, 2021, Kap. 3 Rn 310.
[81] Büte in Büte/Poppen/Menne Unterhaltsrecht, 2015, § 243 FamFG Rn 6, Roßmann in Eschenbruch/Schürmann/Menne, Unterhaltsprozess, 2021, Kap. 3 Rn 310.
[82] OLG Düsseldorf FamRZ 1994, 1484; OLG Düsseldorf FamRZ 1990, 1369; OLG Düsseldorf FamRZ 1988, 519; OLG Frankfurt FamRZ 1984, 1230, 1231; OLG Karlsruhe FamRZ 1984, 1584; OLG Nürnberg FuR 2002, 280 = MDR 2002, 886 = FamRZ 2002, 1179; OLG München FamRZ 1994, 313; Soyka, FuR 2011, 533; Roßmann in Eschenbruch/Schürmann/Menne, Unterhaltsprozess, 2021, Kap. 3 Rn 311.
[83] Grün, FF 2004, 235, 236 m.w.N.; Wolst in Musielak, ZPO, 2009, § 93 Rn 29, KG FamRZ 2011, 1319; OLG Hamm FamRZ 1993, 1217; OLG Nürnberg FamRZ 1993, 1333; OLG Köln FamRZ 1997, 822; OLG Karlsruhe NJW 2003, 2922; KG FuR 2011, 531, Johannsen/Henrich/Maier, Familienrecht, 7. Aufl., § 243 FamFG Rn 10; Zöller/Herget, § 243 Rn 5; Musielak/Borth/Grandel, FamFG, § 231 Rn 16; OLG Hamm FamRZ 2007, 1830 und 1660; OLG Stuttgart FamRZ 2001, 1381; OLG Frankfurt FamRZ 1998, 445; Viefhues in Schreiber/Kemper FamFG, § 243 Rn 26 m.w.N.
[84] OLG Hamm FamRZ 2007, 1660; OLG Stuttgart FamRZ 2001, 1381; OLG Frankfurt FamRZ 1998, 445; OLG Köln FamRZ 1997, 822; OLG Düsseldorf FamRZ 1994, 117; OLG Hamm FamRZ 1992, 831; KG FamRZ 1988, 518; OLG Bremen OLGR Bremen 1996, 106; OLG Düsseldorf FamRZ 1984, 725; OLG Ha...

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