Rz. 473

Bei der Überlegung, wie und wann der Zugewinnausgleichsanspruch eingeklagt wird, ist Folgendes zu bedenken:

Wird der Zugewinnausgleichsanspruch im Rahmen des Scheidungsverfahrens anhängig gemacht,[302] so entsteht ein sog. "freiwilliger Verbund" (Folgesache Güterrecht).[303] Das Gericht soll erst dann über den Scheidungsantrag entscheiden, wenn die Parteien Einigkeit über die Folgen der Ehescheidung erzielt haben bzw. auch die Folgesachen entscheidungsreif sind.
Grundsätzlich besteht die Möglichkeit, auch nach Abschluss des Ehescheidungsverfahrens das Zugewinnausgleichsverfahren durchzuführen (der Zugewinnausgleichsanspruch verjährt innerhalb der Regelverjährungsfrist (§ 195 BGB), beginnend ab dem Jahresende des Jahres, in dem der Güterstand beendet worden ist). Werden beide Verfahren isoliert voneinander geführt, entstehen höhere Anwalts- und Gerichtskosten, weil nur im Verbundverfahren eine Addition der Gebührenstreitwerte vorgenommen wird. Auf diese Mehrkosten muss der Anwalt seinen Mandanten hinweisen! Ist der Mandant verfahrenskostenhilfeberechtigt, so ist zu bedenken, dass manche Obergerichte die Bewilligung der Verfahrenskostenhilfe versagen, weil die Geltendmachung außerhalb des Verbundes mutwillig sei.[304] Der BGH hat entschieden, dass die isolierte Geltendmachung einer Scheidungsfolgesache grundsätzlich nicht mutwillig i.S.d. § 114 ZPO ist.[305]

Der Ausgleichsanspruch entsteht mit der Beendigung des Güterstandes, also regelmäßig mit der rechtskräftigen Scheidung. Erst dann ist er fällig und verzinslich.

 

Tipp

Bei hohen Ausgleichsforderungen sollte erwogen werden, zunächst das Scheidungsverfahren zügig abzuschließen und sodann den Zugewinnausgleichsanspruch gerichtlich geltend zu machen, um die Verzinsung zu sichern. Dabei ist allerdings zu berücksichtigen, dass der Trennungsunterhalt nach der Scheidung nicht mehr geschuldet wird, so dass sich diese Taktik nur dann lohnt, wenn auch nachehelicher Unterhalt in gleicher Höhe wie der Trennungsunterhalt geschuldet wird, ansonsten wird die Rechnung nicht aufgehen.

Soll im Rahmen der Zugewinnausgleichsberechnung Anfangsvermögen berücksichtigt werden, so ist derjenige, der sich hierauf beruft, darlegungs- und beweispflichtig. Will sich ein Ehegatte jedoch auf negatives Anfangsvermögen des anderen Ehegatten berufen, so muss er hierfür die Vermutung des § 1377 Abs. 3 widerlegen![306]

Besteht Anlass für die Vermutung, dass der Ehegatte, der den höheren Zugewinn erzielt hat, den Ausgleichsanspruch des anderen Ehepartners durch illoyale Maßnahmen beeinträchtigen wird, so kann unter nachfolgenden Voraussetzungen bereits während des Getrenntlebens ein Antrag auf den vorzeitigen Ausgleich des Zugewinns bei vorzeitiger Aufhebung der Zugewinngemeinschaft gestellt werden (§§ 1385 f. BGB), wenn:[307]

die Parteien länger als drei Jahre getrennt leben (§ 1385 Nr. 1 BGB) oder
Handlungen der in § 1365 oder § 1375 Abs. 2 BGB bezeichneten Art zu befürchten sind und dadurch eine erhebliche Gefährdung der Erfüllung der Ausgleichsforderung zu besorgen ist,[308] oder
ein Ehegatte erfüllt seine wirtschaftlichen Verpflichtungen schuldhaft und über einen längeren Zeitraum hinweg nicht und es ist anzunehmen, dass er sie in Zukunft nicht erfüllten wird (§ 1385 Nr. 3 BGB) oder

sich der andere Ehegatte beharrlich ohne ausreichenden Grund weigert oder sich ohne ausreichenden Grund bis zur Erhebung der Klage auf Auskunft beharrlich geweigert hat, ihm über den Bestand seines Vermögens zu unterreichten, § 1385 Nr. 4 BGB.

 

Hinweis

Der geschädigte Ehegatte kann durch einen familiengerichtlichen Gestaltungsbeschlusses die Beendigung des Güterstandes erreichen, und damit den Stichtag für die Berechnung des Zugewinns auf den Zeitpunkt der Zustellung dieses Antrags vorverlegen, § 1387 BGB. Er kann neben dem Gestaltungsantrag unmittelbar die Zahlung beantragen.[309] Dies ist insofern vorteilhaft, als dass die Rechtskraft des Aufhebungsurteils nicht abgewartet werden muss.

Gem. § 1388 BGB tritt mit Rechtskraft des Beschlusses, der die Zugewinngemeinschaft vorzeitig auflöst, Gütertrennung ein.

[302] Soll der Zugewinn im Rahmen des Scheidungsverbundes geltend gemacht werden, so muss der Antrag spätestens zwei Wochen vor dem Termin zur mündlichen Verhandlung im ersten Rechtszug anhängig gemacht werden, § 137 Abs. 2 S. 1 FamFG.
[303] Vgl. Muster Rdn 492.
[304] OLG Schleswig FamRZ 2000, 1021; OLG Thüringen FamRZ 2000, 100.
[306] Brudermüller FamRZ 2009, 1185, 1186; Hoppenz FamRZ 2008, 1889, 1890.
[307] Vgl. Muster Rdn 494.
[308] Nach dem bis zum 31.8.2009 geltenden Recht war es erforderlich, dass die illoyale Vermögensminderung bereits eingetreten ist. Dies ist nach der Neufassung nicht mehr notwendig, sondern es genügt darzulegen und zu beweisen, dass Handlungen der in §§ 1365 und 1375 Abs. 2 BGB beschriebenen Art, die eine erhebliche Gefährdung der Ausgleichsforderung bewirken können, zu besorgen sind.
[309] Diese Vorschrift gilt für Verfahren über den Zugew...

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