Rz. 605

Entfernt ein Ehegatte während der Trennungszeit ohne Einwilligung des anderen Ehegatten eigenmächtig Haushaltsgegenstände, stellt sich die Frage, ob und gegebenenfalls wie dagegen vorgegangen werden kann.

 

Rz. 606

In der Rechtsprechung und Literatur ist umstritten, ob der andere Ehegatte eine Rückführung der entzogenen Haushaltsgegenstände gem. § 861 BGB verlangen kann oder gezwungen ist, eine Zuweisungsverfahren gem. § 1361a BGB anzustrengen.

 

Rz. 607

Unabhängig von der materiell-rechtlichen Anspruchsgrundlage handelt es sich hier immer dann um eine Familiensache, sobald Haushaltsgegenstände betroffen sind.[372]

 

Rz. 608

Ein Teil der Rechtsprechung[373] vertritt die Auffassung, dass § 861 BGB und § 1361a BGB in freier Anspruchskonkurrenz stehen, weil sie unterschiedliche Rechtsschutzziele haben, indem § 1361a BGB durch richterliche Gestaltung das Recht zum Besitz regele, während § 861 BGB unabhängig von einem Recht zum Besitz den Besitzer schütze und dem Ausschluss des Rechts des Stärkeren diene. Dieser Auffassung zufolge soll es auch zwischen Ehegatten kein Faustrecht geben und wenigstens für eine schnelle Wiederherstellung des Rechtsfriedens gesorgt werden.

 

Rz. 609

Ein anderer Teil der Rechtsprechung[374] betrachtet § 1361a BGB als lex specialis zu § 861 BGB. Der Vorrang von § 1361a BGB unter Ausschluss des Besitzschutzes wird vor allem damit begründet, dass dieses Verfahren speziell auf die Situation im Zusammenhang mit der Trennung von Ehegatten ausgerichtet sei. Den dort statuierten Billigkeitserwägungen, die zugleich ein Korrektiv für die verbotene Eigenmacht darstellen, müsse vorrangig Rechnung getragen werden. Im Sinne der Prozessökonomie würden so mehrere Prozesse mit ggf. widersprüchlichen Entscheidungen vermieden.

 

Rz. 610

Nach der in Rechtsprechung[375] und Literatur[376] teilweise vertretenen vermittelnden Auffassung wird der Besitzschutzanspruch nach § 861 BGB zwar nicht durch § 1361a BGB verdrängt, aber überlagert, gleichwohl aber die Zuständigkeit des Familiengerichts begründet. Nach dieser Auffassung können die Gegenstände von dem anderen Ehegatten entweder in analoger Anwendung des § 1361a BGB oder nach § 861 BGB "überlagert" durch den Regelungsinhalt des § 1361a BGB im Rahmen eines Hausratsverteilungsverfahrens zurückverlangt werden, soweit sie nicht der auf Herausgabe in Anspruch genommene Ehepartner zur Deckung seines eigenen notwendigen Bedarfs selbst braucht, wofür selbiger beweisbelastet ist.

[372] BGH FamRZ 1982, 1200.
[373] OLG Düsseldorf FamRZ 1984, 1095; OLG Bamberg FamRZ 1993, 335.
[374] BGH FamRZ 1982, 1200; OLG Düsseldorf FamRZ 1994, 390.
[375] OLG Karlsruhe FamRZ 2001, 760; OLG Köln FamRZ 2001, 174.
[376] Johannsen/Henrich/Brudermüller, Eherecht, 5. Aufl. 2003, § 1361a BGB Rn 61.

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