Rz. 77

Nach § 205 BGB ist die Verjährung auch kraft ausdrücklicher gesetzlicher Regelung gehemmt, solange der Schuldner aufgrund einer Vereinbarung mit dem Gläubiger vorübergehend zur Verweigerung der Leistung berechtigt ist.

1. Stundung

 

Rz. 78

Da die Vorschrift ausdrücklich eine Vereinbarung verlangt, ist sie auf gesetzliche Leistungsverweigerungsrechte unanwendbar. Gleiches gilt im Ergebnis auch für die anfängliche Stundung, soweit sie (bereits) die Fälligkeit und demzufolge auch den Verjährungsbeginn verschiebt. Anwendbar bleibt § 205 BGB hingegen auf nachträglich vereinbarte Stundungen, soweit die Stundungsfrist über die infolge des in der Stundung liegenden Anerkenntnisses nach § 212 Abs. 1 Nr. 1 BGB neu beginnende Verjährungsfrist hinausreicht.

2. Pactum de non petendo

 

Rz. 79

Hauptanwendungsfall des § 205 BGB ist das pactum de non petendo, das heißt eine rechtsgeschäftliche Vereinbarung zwischen Gläubiger und Schuldner, dass der Anspruch einstweilen nicht geltend gemacht werden bzw. der Schuldner vorübergehend zur Verweigerung der Zahlung berechtigt sein soll, was im Einzelfall auch "stillschweigend" durch schlüssiges Verhalten verabredet werden kann.[170] Es braucht hierfür kein bestimmter Endzeitpunkt vereinbart zu werden. Es genügt, dass die Partner des Stillhalteabkommens auf ein zwar bestimmtes, aber zeitlich offenes Ereignis abstellen.[171]

 

Rz. 80

Zur Annahme eines pactum de non petendo reicht nicht aus, dass die Parteien über den Anspruch miteinander verhandeln,[172] ebenso wenig das einvernehmliche Ruhen des Verfahrens.[173] Eine solche Vereinbarung kann jedoch vorliegen, wenn die Entscheidung einer Verwaltungsbehörde, eines Vorprozesses, der Ausgang von Ermittlungen oder die weitere Schadensentwicklung abgewartet werden sollen,[174] wenn ein Dritter zunächst in Anspruch genommen werden soll[175] oder einvernehmlich zunächst ein Schiedsgutachten eingeholt werden soll.[176]

[172] Vgl. OLG Hamm, Urt. v. 16.2.1989 – 28 U 233/88, AnwBl 1990, 207.
[173] BGH, Urt. v. 21.2.1983 – III ZR 4/82, NJW 1983, 2497.
[174] BGH, Urt. v. 7.1.1986 – VI ZR 203/84, NJW 1986, 1338.
[175] BGH, Urt. v. 31.3.1960 – III ZR 159/58, LM § 202 Nr. 5.
[176] OLG Hamm, Urt. v. 14.11.1975 – 20 U 184/74, NJW 1976, 717.

3. Teilabfindungsvergleich

 

Rz. 81

Kommen der Haftpflichtversicherer des Schädigers und der Geschädigte in einem Teilabfindungsvergleich bezüglich künftiger materieller Schäden dahin überein, zunächst die weitere gesundheitliche Entwicklung abzuwarten, um später auf einer sichereren Beurteilungsgrundlage in neue Verhandlungen einzutreten, so kommt eine Verjährungshemmung zwar nicht wegen schwebender Verhandlungen in Betracht. Bei interessengemäßer Beurteilung ist aber von einem konkludent vereinbarten pactum de non petendo auszugehen. Will der Haftpflichtversicherer die verjährungshemmende Wirkung dieser Vereinbarung beenden, so obliegt es – jedenfalls solange, als die Schadensentwicklung noch nicht abgeschlossen und eine sichere Prognose noch nicht möglich ist – grundsätzlich ihm, die Initiative wegen einer Wiederaufnahme der Verhandlungen zu ergreifen.[177]

 

Rz. 82

Machen Entleiher und Verleiher nach einem Unfall mit dem entliehenen Fahrzeug unter gemeinsamer Beauftragung eines Anwalts etwaige Ansprüche gegen den Unfallgegner geltend, so liegt im Verhältnis von Entleiher und Verleiher ein pactum de non petendo vor, dass die Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen des Verleihers gegen den Entleiher ausschließt. Das pactum de non petendo wird nach einem Anwaltswechsel des Verleihers und nach Ablauf einer angemessenen Überlegungsfrist für den Entleiher auf die ihm angezeigte Inanspruchnahme hinfällig. Die Hemmungswirkung für die Schadensersatzansprüche des Verleihers aus dem Leihvertrag, die ebenso wie Ansprüche aus unerlaubter Handlung in diesem Fall in sechs Monaten verjähren, ist damit beendet.[178]

[177] BGH, Urt. v. 7.1.1986 – VI ZR 203/84, NJW 1986, 1338.
[178] OLG Hamm, Urt. v. 4.6.1992 – 6 U 13/92, NJW 1993, 215.

4. Teilungsabkommen

 

Rz. 83

Ein zur Verjährungshemmung führendes pactum de non petendo stellt auch das Teilungsabkommen zwischen Sozialversicherungsträgern und Haftpflichtversicherern zugunsten des Schädigers dar (§ 328 BGB).[179] Die Stillhalteverpflichtung des Sozialversicherungsträgers endet erst dann, wenn seine Leistungen den abkommensgemäßen Höchstbetrag erreicht haben. Bis zu diesem Zeitpunkt ist der Beginn der Verjährung der die Abkommensgrenze übersteigenden Ansprüche hinausgeschoben.[180] Diese Rechtsprechung, die zu den limitierten Teilungsabkommen entwickelt wurde, gilt auch für die unlimitierten Abkommen.[181]

[179] BGH, Urt. v. 26.5.1970 – VI ZR 4/69, LM § 202 Nr. 12.

5. Sozialgerichtliche Verfahren

 

Rz. 84

Die Verjährung von Ansprüchen des Geschädigten gegen den Schädiger ist während der Dauer des sozialgerichtlichen Ve...

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