aa) Organisation des betrieblichen Vorschlagswesens

 

Rz. 480

Als Träger bzw. Organ des betrieblichen Vorschlagswesens hat sich in der Praxis die Schaffung von zwei Stellen bewährt, die sich nach Aufgabenkreis, Funktionsweise und personeller Besetzung unterscheiden.

(1) Beauftragter für das betriebliche Vorschlagswesen

 

Rz. 481

An erster Stelle dürfte der von der Geschäftsleitung zu bestimmende Beauftragte für das betriebliche Vorschlagswesen stehen, der seiner Stellung und Funktion nach mit dem (betrieblichen) Erfinderberater des § 21 ArbnErfG a.F. zu vergleichen ist.

 

Rz. 482

Dieser Beauftragte sollte sowohl das Vertrauen des Arbeitgebers als auch das der Mitarbeiter genießen, was nur dadurch möglich ist, dass er fachlich geeignet sowie seiner Stellung nach persönlich und betriebsorganisatorisch unabhängig (neutral) ist.

(2) Bewertungskommission

 

Rz. 483

Traditionell erfolgt die Überprüfung von eingereichten Verbesserungsvorschlägen durch Bewertungsausschüsse bzw. Prüfungskommissionen. Dies ist eine Folge der Steuergesetzgebung bis Ende 1988, wonach Prämien für Verbesserungsvorschläge in Betrieben mit mehr als 20 Arbeitnehmern bei Einrichtung eines Bewertungsausschusses und einer bestimmten personellen Besetzung desselben, steuerlich begünstigt waren. Trotz des Wegfalles dieser Regelung besteht die Praxis der Einrichtung solche Kommissionen zur Bewertung von Verbesserungsvorschlägen fort (Rieble/Gistel, DB 2005, 1382, 1384).

 

Rz. 484

Gesetzlich ist eine paritätische Besetzung des Ausschusses mit derselben Anzahl von Vertretern der Geschäftsleitung und der Arbeitnehmerseite nicht vorgeschrieben (BAG v. 28.4.1981 – 1 ABR 53/79), praktisch aber empfehlenswert.

 

Rz. 485

Ob gegen eine ablehnende oder zumindest nachteilige Entscheidung der Bewertungskommission von dem Betroffenen die staatlichen Gerichte angerufen werden können und ggf. in welchem Umfang eine gerichtliche Nachprüfung erfolgt, hängt vom Rechtsstatus der Kommission ab.

 

Rz. 486

Die Betriebsparteien können rechtswirksam vereinbaren, dass eine paritätisch besetzte Kommission verbindlich über die Beurteilung der eingereichten Verbesserungsvorschläge entscheidet (BAG v. 16.12.2014 – 9 AZR 431/13). Die mit der Mehrheit dieser Kommission getroffenen Entscheidungen sind von den Gerichten nur noch eingeschränkt überprüfbar. Inhaltlich ist zu überprüfen, ob das Ergebnis offenbar unrichtig ist. Verfahrensmäßig ist zu überprüfen, ob die Feststellungen grob unbillig zustande gekommen sind oder ob Verstöße gegen die zugrunde liegende Betriebsvereinbarung das Ergebnis beeinflusst haben können (BAG v. 20.1.2004 – 9 AZR 393/03; LAG Hamm v. 23.4.1990 – 14 Sa 1527/79, n.v.; LG Düsseldorf v. 26.11.1985 – 4 O 57/85, n.v.; LAG Nürnberg v. 27.9.2000 – 3 Sa 50/00).

 

Rz. 487

Die Frage, ob es sich bei einem eingereichten Verbesserungsvorschlag lediglich um eine arbeitsvertragliche Leistungserbringung handelt, stellt eine reine Rechtsfrage dar, die gerichtlich voll überprüfbar ist (ArbG Heilbronn v. 15.5.1987 – 4 Ca 136/85).

bb) Betriebsvereinbarung

(1) Abschluss

 

Rz. 488

Die mitbestimmungspflichtigen Grundsätze des betrieblichen Vorschlagswesens i.S.d. § 87 Abs. 1 Nr. 12 BetrVG sind in Form einer Betriebsvereinbarung nach § 77 Abs. 2 BetrVG schriftlich zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat (ggf. Gesamt- oder Konzernbetriebsrat) niederzulegen. Darüber hinaus besteht hinsichtlich der nicht der obligatorischen Mitbestimmung unterliegenden Regelungsgegenstände des betrieblichen Vorschlagswesens die Möglichkeit, eine freiwillige Betriebsvereinbarung nach § 88 BetrVG abzuschließen.

(2) Beendigung und Nachwirkung

 

Rz. 489

Als Beendigungsgründe für eine derartige Betriebsvereinbarung kommen Zeitablauf, Zweckerreichung, Aufhebungsvertrag, Betriebsstilllegung und Fusion, Wegfall der Geschäftsgrundlage sowie Kündigung in Betracht.

 

Rz. 490

Vorbehaltlich einer anderweitigen Regelung in der Betriebsvereinbarung selbst, gelten deren Regelungen nach deren Ablauf bis zu einer Neuregelung weiter (sog. Nachwirkung = unmittelbare, aber nicht mehr zwingende Weitergeltung der Normen der Betriebsvereinbarung), soweit es sich um Regelungen der erzwingbaren Mitbestimmung handelt (§ 77 Abs. 6 BetrVG). Hingegen wirkt eine Betriebsvereinbarung, die einen Gegenstand der sog. freiwilligen Mitbestimmung regelt, nicht nach. Ebenso scheidet nach der bisherigen Rspr. des BAG eine Nachwirkung aus, wenn die Angelegenheit z.T. der freiwilligen, z.T. der erzwingbaren Mitbestimmung des Betriebsrates unterliegt (sog. teilmitbestimmte Regelung, BAG v. 21.8.1990 – 1 ABR 73/89; LAG Baden-Württemberg v. 17.5.2017 – 4 Sa 1/17).

 

Rz. 491

Das BAG differenziert im Bereich der Nachwirkung zudem nach dem Kündigungszweck. Bei vollständigem Entfallenlassen der freiwilligen Leistung besteht keine Nachwirkung; bei Reduzierung des Volumens oder Änderung des Verteilungsschlüssels hingegen besteht Nachwirkung (BAG v. 26.10.1993 –1 AZR 46/93 sowie BAG v. 17.1.1995 – 1 ABR 29/94; auch LAG Baden-Württemberg v. 20.7.2017 – 17 TaBV 2/17).

 

Rz. 492

Diese Nachwirkung kann allerdings von den Betriebsparteien auch nachträglich positiv wie negativ vereinbart werden (BAG v. 9.2.1984 – 6 ABR 10/81).

 

Rz. 493

Die Teilkündigung in Bezug auf einzelne Teile der Betrie...

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