Rz. 1535

Dem geltend gemachten Anspruch auf Verringerung der Arbeitszeit dürfen keine betrieblichen Gründe entgegenstehen. Die Frage, ob solche Gründe berechtigterweise vom Arbeitgeber eingewendet werden, birgt ein großes Konfliktpotenzial in sich. In der Begründung des Regierungsentwurfes zum TzBfG heißt es zu den die Ablehnung rechtfertigenden betrieblichen Gründen: "Damit sind unzumutbare Anforderungen an die Ablehnung durch den Arbeitgeber ausgeschlossen; nachvollziehbare Gründe genügen." Das Gesetz selbst zählt in § 8 Abs. 4 TzBfG beispielhaft auf: "Ein betrieblicher Grund liegt insbesondere vor, wenn die Verringerung der Arbeitszeit die Organisation, den Arbeitsablauf oder die Sicherheit im Betrieb wesentlich beeinträchtigt oder unverhältnismäßige Kosten verursacht." Vergleicht man die Aussage in der Gesetzesbegründung mit den im Gesetz selbst erwähnten Beispielen, fällt auf, dass die Darstellung in der Begründung deutlich geringere Anforderungen nahelegt als der Gesetzestext. Auf diese Diskrepanz weisen zu Recht Richardi/Annuß hin (BB 2000, 2201).

 

Rz. 1536

Anders als die Rechtsprechung des 2. Senats des BAG zum Kündigungsschutz zur Auslegung des Begriffes der betrieblichen Gründe, erfordert der zuständige 9. Senat des BAG in ständiger Rechtsprechung das Vorliegen "hinreichend gewichtiger Gründe", um ein Teilzeitverlangen abzulehnen (hierzu grundlegend: BAG v. 18.2.2003 – 9 AZR 164/02).

 

Rz. 1537

Eine verfassungskonforme Auslegung der Bestimmungen zum Teilzeitanspruch der Arbeitnehmer gebietet es hingegen, eine unternehmerische Entscheidung zur Erhaltung eines bestimmten Personalkonzeptes als innerbetriebliche Organisationsentscheidung hinzunehmen, solange sie nicht offenkundig unsachlich, unvernünftig oder willkürlich ist (zutreffend Rolfs, RdA 2001, 133 und Preis/Gotthardt, DB 2000, 2068 unter Hinweis auf die Rspr. des BAG zur betriebsbedingten Kündigung). Insoweit ist die abweichende Rechtsprechung des 9. Senates abzulehnen.

 

Rz. 1538

Auch wenn der Arbeitgeber durch die Organisation seines Betriebes die betrieblichen Gründe beeinflussen kann, die etwaigen Teilzeitwünschen seiner Arbeitnehmer entgegenstehen, sind diese Gründe im Konfliktfall sorgfältig zu erwägen sowie widerspruchsfrei und möglichst genau darzustellen, denn der Arbeitgeber trägt die Darlegungs- und Beweislast für das Vorliegen betrieblicher Gründe, die einem Teilzeitwunsch entgegenstehen. Das BAG (18.2.2003 – 9 AZR 164/02) hat ein dreistufiges Prüfungsschema für die Frage entwickelt, ob einem mit dem Verlangen nach Verringerung der Arbeitszeit verbundenen Wunsch auf Festlegung der Lage der Arbeitszeit genügend gewichtige betriebliche Gründe entgegenstehen:

 

Rz. 1539

Zunächst ist das vom Arbeitgeber aufgestellte und durchgeführte Organisationskonzept festzustellen, das der vom Arbeitgeber als betrieblich erforderlich angesehenen Arbeitszeitregelung zugrunde liegt.

Dann ist zu überprüfen, ob die vom Organisationskonzept bedingte Arbeitszeitregelung tatsächlich der gewünschten Änderung der Arbeitszeit entgegensteht.

Abschließend ist zu prüfen, ob das Gewicht der entgegenstehenden betrieblichen Gründe so erheblich ist, dass die Erfüllung des Arbeitszeitwunsches des Arbeitnehmers zu einer wesentlichen Beeinträchtigung der Arbeitsorganisation, des Arbeitsablaufes, der Sicherung des Betriebes oder zu einer unverhältnismäßigen wirtschaftlichen Belastung des Betriebes führen würde.

 

Rz. 1540

Das BAG hat in einer Reihe von Entscheidungen zu der Frage Stellung genommen, inwieweit betriebliche Gründe i.S.d. § 8 Abs. 4 TzBfG der verlangten Teilzeitarbeit entgegenstehen können. Hierzu der folgende Rechtsprechungsüberblick:

Ein heilpädagogisches Konzept, das im Interesse der behinderten Kinder eine kontinuierliche Betreuung vorsieht, kann einen Ablehnungsgrund darstellen. Das gilt insb. für den Fall, dass die als Leiterin einer Kindergartengruppe beschäftigte Arbeitnehmerin die ihr anvertraute Gruppe regelmäßig noch vor der Heimfahrt der Kinder verlassen will (BAG v. 19.8.2003, EzA TzBfG § 8 Nr. 4 = BB 2003, VII Heft 46 Kurzinformation)

Es kann einen entgegenstehenden betrieblichen Grund darstellen, der zur Ablehnung eines Teilzeitarbeitsverlangens nach § 8 Abs. 4 Satz 1 TzBfG berechtigt, wenn der Arbeitgeber möglichst jeden Kunden nur von einem Verkäufer bedienen lassen möchte. Ein solcher Grund liegt jedoch nicht vor, wenn sich die Öffnungszeiten eines Verkaufsgeschäftes von der durchschnittlichen Wochenarbeitszeit einer Vollzeitkraft deutlich unterscheiden (BAG v. 30.9.2003, 9 AZR 665/02).

Der Arbeitnehmer kann zur Durchsetzung seines Teilzeitanspruches nach § 8 TzBfG vom Arbeitgeber nicht verlangen, dass dieser zum Ausgleich der verringerten Arbeitszeit eine Vollzeitkraft bei gleichzeitigem Abbau von Überstunden anderer Arbeitnehmer einstellt.

Ebenso wenig kann der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber verlangen, den Arbeitszeitausfall durch dauernde Überstunden anderer Arbeitnehmer auszugleichen. Auf die Inanspruchnahme von Leiharbeit kann der Arbeitnehmer den Arbei...

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