Rz. 1118

Haben die Arbeitsvertragsparteien keine spezielle Mankoabrede getroffen, richtet sich die Haftung des Arbeitnehmers für Waren- oder Kassenfehlbestände nach den allgemeinen von der Rspr. entwickelten Grundsätzen über die Beschränkung der Arbeitnehmerhaftung (vgl. zur Haftung oben Rdn 890 ff.). Dabei kann sich die Pflichtverletzung des Arbeitnehmers bereits daraus ergeben, dass durch sein Verhalten dem Arbeitgeber ein Schaden entstanden ist. Für den Grad des Verschuldens ist entscheidend, ob der Arbeitnehmer bezogen auf den Schadenserfolg vorsätzlich oder fahrlässig gehandelt hat (BAG v. 17.9.1998 – 2 AZR 64/97; BAG v. 28.3.2019 – 8 AZR 421/17).

 

Rz. 1119

Der Arbeitgeber muss abgesehen von dem entstandenen Schaden aufgrund der Regelung in § 619a BGB abweichend von der allgemeinen Beweislastverteilung nach § 280 Abs. 1 S. 2 BGB auch die Pflichtwidrigkeit des Arbeitnehmers, sein Verschulden und die Ursächlichkeit für den Schadenseintritt beweisen. Aufgrund einer gestuften Darlegungslast ist der Arbeitnehmer allerdings i.d.R. gehalten, zu den schadensverursachenden Umständen vorzutragen, wenn er über die konkreten Umstände informiert ist.

 

Rz. 1120

Die volle Beweisführungslast hat der Arbeitgeber danach in solchen Fällen, in denen der Arbeitnehmer ihm anvertraute Geräte, Werkzeuge oder auch Geld nicht herausgeben kann und er bezogen auf die ihm anvertrauten Sachen nicht etwa selbstständig disponieren kann, sondern er lediglich eine "Besitzdienerstellung" innehat (BAG v. 17.9.1998 – 2 AZR 64/97). Den Arbeitgeber trifft bspw. die Beweislast, wenn er nach dem Diebstahl eines Videorekorders durch unbekannte Dritte aus einem Kundendienstfahrzeug den Kundendienstmonteur auf Schadensersatz in Anspruch nehmen will mit der Begründung, er habe das Fahrzeug nicht ordnungsgemäß abgeschlossen (BAG v. 29.1.1985 – 3 AZR 570/82; s.a. BAG v. 22.5.1997 – 8 AZR 562/95 zur Darlegungs- und Beweislast des Arbeitgebers bei Inanspruchnahme eines Geldboten, der eine ihm vom Kunden ausgehändigte Kassette mit über 100.000,00 DM nicht herausgeben konnte).

 

Rz. 1121

In dem Fall eines Busfahrers, dem während einer Pause aus dem verschlossenen aber leicht mit einem Vierkantschlüssel zu öffnenden Bus die dort nicht sicher verwahrten Fahrgeldeinnahmen gestohlen wurden, hat das BAG gemeint, es könne dahinstehen, ob der Busfahrer darlegen und beweisen muss, dass ihn an der Unmöglichkeit der Herausgabe kein Verschulden trifft oder ob sein Arbeitgeber darlegen und beweisen muss, dass der Busfahrer seine arbeitsvertraglichen Pflichten in Bezug auf die Verwahrung des Geldes schuldhaft verletzt hat, weil sich aus dem unstreitigen Sachverhalt ergibt, dass der Busfahrer fahrlässig den Diebstahl des Geldes ermöglicht hat. Dem Fahrer sei zuzumuten gewesen, das eingenommene Fahrgeld mitzunehmen, wenn er den Bus verlässt und in die Pause geht (BAG v. 28.9.1989 – 8 AZR 73/88).

 

Rz. 1122

Nach der Entscheidung des BAG (v. 17.9.1998 – 2 AZR 64/97) sind Mankofälle ausnahmsweise nach den Grundsätzen der Verwahrung oder des Auftrages zu behandeln, wenn der Arbeitnehmer nicht nur Besitzdiener, sondern Besitzer der ihm überlassenen Sachen ist, und somit die Herausgabe der ihm zur Arbeitsleistung überlassenen Sachen zu den Leistungspflichten (§§ 667, 695 BGB) gehört. Für den Fall schulde der Arbeitnehmer bei Fehlbeständen Schadensersatz wegen zu vertretender Unmöglichkeit der Herausgabe nach § 280 Abs. 1 BGB. Zu dieser Gruppe von Arbeitnehmern gehören allerdings nur solche, die zumindest den alleinigen Zugang zu den überlassenen Sachen haben und denen die selbstständige Verwaltung obliegt (BAG v. 17.9.1998 – 2 AZR 64/97). Eine derartige selbstständige Verwaltung erfordert, dass der Arbeitnehmer wirtschaftliche Überlegungen anzustellen und Entscheidungen über die Verwendung der Sache zu treffen hat (BAG v. 29.1.1985 – 3 AZR 570/82). Das BAG verweist beispielhaft darauf, dass eine i.d.S. wirtschaftliche Tätigkeit vorliegt, wenn sie von kaufmännischen Aufgaben geprägt ist und etwa Preise über deren bloße Berechnung hinaus selbstständig kalkuliert werden müssen. Die vom BAG für den Bereich der allgemeinen Mankohaftung vorgenommene Unterscheidung zwischen "selbstständigen" und "unselbstständigen" Arbeitnehmern ist auf Kritik gestoßen (vgl. Pallasch, Anm. zu BAG v. 2.12.1999, EzA § 611 BGB Arbeitnehmerhaftung Nr. 67 m.w.N.). Die Rspr. ist durch das SchuModG nicht obsolet geworden. Es bleibt allerdings abzuwarten, ob das BAG vor dem Hintergrund der gesetzlichen Regelung des § 619a BGB, der generell dem Arbeitgeber die Beweislast auch für das Vertretenmüssen der Pflichtwidrigkeit des Arbeitnehmers auferlegt, die Kritik aufgreift und die Unterscheidung je nach Besitzer- oder Besitzdienerstellung aufgibt.

 

Rz. 1123

Auch ein etwaiges Mitverschulden (§ 254 BGB) des Arbeitgebers ist bei der Mankohaftung zu berücksichtigen. Das Mitverschulden kann unter Umständen so gravierend sein, dass der an sich dem Arbeitnehmer obliegende Entlastungsbeweis nicht geführt werden muss, etwa dann, ...

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